Die Umsetzung von Sterbewünschen kann nicht die Aufgabe von Ärzten sein. Dies betont die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme (vgl. Positionspapier zu Sterbe- und Suizidhilfe 2017). Mit Sorge verfolgt die ÖGPP die schleichende Manipulation des Begriffs „Sterbehilfe“. Schon jetzt würden darunter nicht mehr „Maßnahmen zur leichteren Erträglichkeit des Sterbeprozesses im Sinn einer ärztlichen, pflegerischen und psychotherapeutischen Sterbebegleitung“ verstanden, sondern die gezielte Erfüllung von Todeswünschen, die einen strafrechtlichen Tatbestand darstellt. Gegen diese missbräuchliche Sprachverwirrung wehrt sich die ÖGPP. Sie schlägt „Suizidhilfe“ als korrekten Begriff vor.
Ebenso lehnen die österreichischen Psychiater und Psychotherapeuten ab, dass der Terminus „Sterben in Würde“ inzwischen als Bezeichnung für „fremdunterstütztes Sterben“ in den allgemeinen Sprachgebrauch Eingang gefunden hat. „Es kann nicht sein, dass dadurch Menschen, die den oft leidvollen Prozess des Sterbens ohne Abkürzung auf sich zu nehmen bereit sind, im Umkehrschluss die Würde abgesprochen wird“, stellt das Positionspapier klar. Der Suizidwunsch von Sterbenden werde vielfach oberflächlich und unreflektiert behandelt. Sterbewünsche könnte man oft im Rahmen der Vermittlung der Möglichkeiten der palliativen Medizin relativieren, ebenso durch eine entsprechende, individuell angepasste antidepressive Behandlung.
Ein Fall in Deutschland zeigt, zu welcher Eigendynamik eine Ausweitung der Suizidbeihilfe führen kann. Ein 75-jähriger Psychiater vom Verein Sterbehilfe Deutschland vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag und unterlassene Hilfeleistung vor (vgl. Hamburger Morgenpost, online, 31.8.2017). Im Mittelpunkt des Verfahrens steht der Suizid von zwei 81 und 85 Jahre alten Frauen, die am 10. November 2012 in Anwesenheit des Arztes eine Überdosis eines verschreibungspflichtigen Medikaments genommen hatten und gestorben waren. Zuvor hatten sie 2.000 Euro an den Verein Sterbehilfe Deutschland gezahlt, der ihnen das Medikament zugänglich machte. Der angeklagte Neurologe und Psychiater hat in einem Gutachten selbst festgehalten, „dass die Betroffenen geistig und körperlich rege und sozial gut eingebunden waren und der Grund für ihren Wunsch allein ihre Angst vor dem Altern und dessen Folgen waren“. Demnach war keine der beiden Seniorinnen schwerstkrank, sie seien bloß lebenssatt gewesen. Der Arzt hatte schon 2011 für Aufsehen gesorgt, als er gemeinsam mit Vereinsgründer Roger Kusch eine „Selbsttötungsmaschine“ vorgestellt hatte.
In der Schweiz wählen immer mehr Menschen den Altersfreitod, obwohl sie nicht sterbenskrank sind (vgl. Lebenshilfe statt Tötungslogik. Für eine neue Kultur des Beistands, Imago Hominis 2014; 21(3): 166-168). Auch in den Niederlanden wird derzeit um die Freigabe einer rezeptfreien Letzte-Wille-Pille für gesunde, suizidwillige Senioren heftig debattiert.