„Neue Krebstherapie vor Durchbruch“, „Sport senkt Herzinfarkt-Risiko bei Depressiven“, „Mit Stammzellen Parkinson heilen“: Wenn über Studien berichtet wird, neigen Journalisten dazu, Ergebnisse so verkürzt darzustellen, dass sie falsche Hoffnungen wecken. Die Evidenzlage ist im Bereich der medizinischen Studien aber meist weniger spektakulär als Schlagzeile oder Vorspann versprechen. Häufig werden Korrelationen falsch interpretiert und als kausale Zusammenhänge dargestellt - und das bereits in PR-Meldungen von Universitäten und Forschungseinrichtungen. Diese werden wiederum von Journalisten weitgehend ungeprüft übernommen, wie der Neurowissenschaftler Chris Chambers von der Universität Cardiff 2014 in einer vielbeachteten Studie zeigte (vgl. IMABE 07/15).
Das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft steht auf dem Spiel, deshalb sollten Wissenschaftler proaktiv dafür sorgen, dass Pressemitteilungen ausgewogen, klar und frei von Übertreibungen formuliert sind. Zu diesem Schluss kommt Chambers in seiner nun jüngst im BioMedcentral publizierten Studie (BMC Medicine 17: 91 (2019)). Die Studie zeigte, dass jene Journalisten, die Informationen aus seriösen Pressemitteilungen entnahmen, selbst seriöser berichteten. Die gute Nachricht: Exakter formulierte Pressemitteilungen wurden nicht weniger häufig rezipiert als andere.
Laut Chambers tragen alle Beteiligten für eine ausgewogene Berichterstattung Verantwortung (vgl. Vox, online, 11.6.2019): Die Wissenschaftler müssten sicherstellen, dass die Pressemitteilung so genau wie möglich formuliert ist; die Pressereferenten, dass sie dem Wissenschaftler auch wirklich zuhören. Und dann die Wissenschaftsjournalisten, dass sie nach Kräften selbst den Originalartikel lesen und Übertreibungen abbauen.
Erst im April 2019 hat in den USA der Wissenschaftler James Heathers mit seinem Twitter-Account „Sag einfach: Bei Mäusen“ (@justsaysinmice) Furore gemacht. Er fordert zu mehr Seriosität in Wissenschaftsberichten auf. Dazu gehöre, in Schlagzeile oder Vorspann zu erwähnen, dass etwaige Versuche erst „bei Mäusen“ stattgefunden hätten - nicht am Menschen. „Zu einem Stapel Holzbretter mit einem Sack Nägel sagt man auch nicht Haus“, erklärt Heathers den Unterschied zwischen vorklinischer Grundlagenforschung im Tierversuch gegenüber klinischen Studien am Menschen (vgl. In Mice, online, April 2019).
Im Bereich Medizin und Gesundheit stehen Journalisten einige Foren zur Förderung eines kritischen Gesundheitsjournalismus zur Verfügung:
- In Österreich nimmt das Online-Portal Medizin-Transparent.at Presseberichte über Gesundheitsberichte auf ihre Konsistenz unter die Lupe, ein Service von Cochrane Österreich.
- Der Medien-Doktor ist ein Online-Angebot von und für Journalisten, angesiedelt am Lehrstuhl für Wissenschaftsjournalismus der Technischen Universität Dortmund. Mit Hilfe eines Gutachterpools aus Journalisten werden mehrmals pro Woche medizinjournalistische Beiträge aus deutschen Print-, TV-, Hörfunk- und Online-Medien nach vordefinierten Kriterien beurteilt.
- Erwähnenswert ist auch das Projekt von Netzwerk Recherche e. V. MedizinMag - gefördert durch die Bosch Stiftung, das sich als Checkliste auch für Journalisten eignet, die nicht täglich mit Medizinthemen zu tun haben und sie bei der korrekten Recherche und Einschätzung medizinischer Themen unterstützt. Es beruht auf den Arbeiten von medien-doktor.de und dessen internationaler Vorbilder (healthnewsreview.org).