Nach bestem Wissen und Gewissen handeln: Ärzte, Pflegende, aber auch Patienten haben im medizinischen Alltag das Bedürfnis, mit dem eigenen Gewissen klar zu kommen. Dies ist mit immer größeren Herausforderungen verbunden. Denn ethische Fragestellungen werden in der medizinischen Forschung, aber auch in Prozessen der Diagnostik und der Therapie zunehmend komplexer und komplizierter. Dazu kommt, dass die Veränderung in der Arzt-Patient-Beziehung durch Ökonomie, Anspruchsdenken oder unterschiedliche kulturelle Voraussetzungen eine immer stärkere ethische Kompetenz der Akteure im Gesundheitswesen fordert.
Tagtäglich urteilt der Mensch im Gewissen über seine Handlungen und beurteilt diese als gut oder schlecht. Diese Reflexion ist wichtig: Jeder kann sich irren bzw. erkennen, dass sein Handeln im konkreten Fall hinter dem als Gut Erkannten zurückgeblieben ist. Entscheidend ist letztlich die Kultivierung moralischer Tugenden, die es erst ermöglichen, nicht nur zu sehen, was gut ist, sondern auch danach zu handeln. Denn: Ethisches Wissen allein reicht nicht aus. Ethik will gelebt sein.
Die kommende Ausgabe von IMAGO HOMINIS widmet sich schwerpunktmäßig dem Thema Gewissen in der Medizin.
Der Theologe William Hoye (Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik, Universität Münster) legt dar, warum dem Gewissen sowohl die Wahrheitsfähigkeit als auch die Irrtumsfähigkeit eigen ist. Irrtum ist möglich, da der Mensch begrenzt ist, die Wahrheit sucht, sie aber nie vollkommen findet. Das Gewissen muss sich an der Wahrheit orientieren, es entwirft das Gesetz nicht, sondern fungiert eher als ein „Dolmetscher des Gesetzes“. Wie gut dies gelingt, hängt von der ethischen Kompetenz des Einzelnen ab.
Die Juristin Maria Schörghuber (Wien) zeigt, dass die Gewissensfreiheit in Österreich eine feste verfassungsrechtliche Grundlage hat und teilweise auch durch Gewissensklauseln geschützt ist. Im Konflikt mit anderen Rechtsgütern müsse man sich insbesondere der Frage stellen, wie hoch die Gewissensfreiheit in Relation zu diesen Rechtsgütern einzuschätzen ist, und wo ihre Grenzen sind.
Im Bereich des ärztlichen und pflegerischen Handelns erweist sich der Respekt vor dem Gewissen sowohl der Patienten als auch der Mitarbeiter im Krankendienst als unerlässlich. Systemische und legistische Vorgaben sollen den nötigen Freiheitsraum für das Handeln gemäß dem Gewissen sowie für einen Einspruch aus Gewissensgründen bereitstellen, betont Moraltheologe Josef Spindelböck (Theologische Hochschule der Diözese St. Pölten).
Der Moraltheologe, Jurist und Mediziner Kosmas Lars Thielmann (Philosophisch-Theologische Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz) erläutert das Verhältnis zwischen Ethikkommissionen und Gewissen. Ethikkommissionen können eine Hilfe für den Einzelnen darstellen, ein Gewissensersatz sind sie allemal nicht. Die Bioethikerin und Pharmazeutin Margit Spatzenegger (Wien) geht dem Verhältnis von Norm und Eigenverantwortung anhand der Überlegungen von Martin Heidegger, Romano Guardini und Dietrich Bonhoeffer nach.
Die Imago-Hominis-Ausgabe 1/2018 ist hier abrufbar.