Mit überwältigender Mehrheit hat das britische Parlament dafür gestimmt, die geschlechtsselektive Abtreibung explizit für gesetzeswidrig zu erklären. Seit Herbst 2013 hatte sich für diesen Beschluss eine Allianz quer durch alle politische Lager formiert. Anlass war das Auffliegen von zwei Ärzten, die zugegeben hatten, auf Wunsch der Eltern auch Abtreibungen aufgrund des „falschen“ Geschlechts (Genderzid) durchzuführen (vgl. The Telegraph, online, 22. 2. 2012). Laut britischem Abtreibungsgesetz (Abortion Act) aus dem Jahr 1967 ist eine Abtreibung allein aufgrund des Geschlechts verboten. In der Praxis wurde dieses Gesetz aber umgangen. Statt einer lückenlosen Aufklärung wurde das Verfahren gegen die beiden Ärzte von der Staatsanwaltschaft eingestellt, mit der Begründung, dass es „kein öffentliches Interesse“ an der Verfolgung der Taten gebe.
Dagegen hatten 50 britische Abgeordnete verschiedenster politischer Lager in einem offenen Brief protestiert. Sie hätten zwar sehr unterschiedliche Meinungen über die Abtreibung. Geeint seien sie aber „in der Besorgnis“ über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Wenn die gezielte Tötung weiblicher Föten nicht strafrechtlich verfolgt würde, wäre das „ein Schritt zurück im Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter“, so die Abgeordneten. Genderzid, also die geschlechtsspezifische Abtreibung, sei „illegal“ und „verfassungswidrig“ (vgl. The Telegraph, online 17. 9. 2013).
Nun votierten 181 der Abgeordneten (nur eine Gegenstimme), ein neues Gesetz gegen Genderzid zu erlassen (vgl. The Telegraph, online, 4. 11. 2014). Für Jänner 2015 ist eine zweite Lesung anberaumt.
Die schottische Abgeordnete Fiona Bruce, Mitglied der Conservative Party, unterstrich in der Debatte, dass diese notwendig gewordene gesetzliche Klarstellung „eine Schande“ sei. In Großbritannien sei die gezielte Abtreibung von Mädchen bereits ein ernstes Problem. Die illegale Abtreibung weiblicher Föten wird offenbar in einigen ethnischen Gemeinschaften in Großbritannien praktiziert und hat in diesen Bevölkerungsgruppen inzwischen zu einem erheblichen Ungleichgewicht zwischen Burschen und Mädchen geführt (vgl. IMABE 2014: Europarat: „Gezielte Abtreibung von Mädchen muss verboten werden“). Die Politik dürfe nicht länger wegschauen, auch nicht von der damit verbundenen psychischen und physischen Gewalt gegen Frauen. Das Verbot dürfe kein totes Recht werden, im Gegenteil: „Dieser Gesetzentwurf wäre ein Schritt auf dem Weg zur Bewältigung dieser tragischen und diskriminierenden Praktiken, die eine fundamentale Form der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist“, so Bruce in ihrem Schlussplädoyer (vgl. Parlament, Protokoll vom 4. 11., Abortion Sex-Selection).
In Großbritannien wurden im Jahr 2013 insgesamt 202.577 Abtreibungen durchgeführt, 69 Prozent der Frauen waren zwischen 20 und 34 Jahre alt. Die meisten Frauen gaben an, dass sie allein oder in keiner fixen Partnerschaft lebten (vgl. Abortion Statistics, England and Wales: 2013).
Österreich ist eines der letzten europäischen Länder, in denen keine Datenerhebung über Abtreibung stattfindet. Die Bürgerinitiative Fakten Helfen, gestartet von der Aktion Leben, fordert 40 Jahre nach Einführung der Fristenregelung eine anonyme Erhebung von Zahlen und Motiven zu Abbrüchen. Nur wer die Fakten kenne, könne Schwangeren in Not auch helfen. Die Bürgerinitiative kann noch bis 30. März 2015 unterschrieben werden.