CRISPR heißt die neue Gentechnologie, die erst vor kurzem ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geraten ist. Hoffnungen und Unbehagen wachsen daran gleichzeitig, bremsen lassen sich die Forscher allerdings nicht (vgl. FAZ, online, 4.12.2015). Dies zeigte der von den USA, China und Großbritannien jüngst in Washington einberufene Internationale Gipfel für Human Gene Editing.
„Es ist leider nur eine Frage der Zeit, bis die Manipulation am menschlichen Erbgut kommen wird“, sagt Ethikerin Susanne Kummer. „Das internationale Expertengremium hat klar signalisiert, dass sie weder ein vorübergehendes Aussetzen der Forschung (Moratorium), noch ein generelles Verbot menschlicher Keimbahn-Gen-Bearbeitung als wünschenswert erachten“, bedauert die IMABE-Geschäftsführerin.
Das Argument, wonach die CRISPR-Cas9-Methode vor allem auf die Ausmerzung von Erbkrankheiten im Erbgut des Embryos und seiner Nachkommen ausgerichtet sei, hält Kummer für ein „Scheinargument“: „Genau dafür hat man doch die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) verlangt, bei der man zwischen mehreren Embryonen den sogenannten gesunden auswählen kann.“ Medizinisch bestehe also gar kein Bedarf an CRISPR-Cas9. „Der Motor für die Entwicklung einer einfachen und gezielten Weise, Erbanlagen zu verändern oder auszutauschen, ist offenbar der Traum vom Enhancement, der Verbesserung und Steigerung bestimmter Eigenschaften“, so die Ethikerin. Sie sieht die Freiheit der Bürger in Gefahr, wenn von der Wissenschaft zweifelhafte Optimierungssehnsüchte propagiert werden, denen fragwürdige eugenische Ansätze zugrunde liegen.
Der Theologe Wolfgang Huber, Humboldt-Universität zu Berlin, kritisierte Anfang Dezember auf einer Tagung des Deutschen Ethikrates scharf, dass Länder, die auf Regulierung ethisch umstrittener Technologie verzichteten, stets „liberal“ genannt würden. „Liberal“ sei ein Staat aber nur, wenn er die „Freiheit aller“ schütze, und nicht bloß die „einiger weniger“ (vgl. Globale Wissenschaft - Globale Ethik?, 3.12.2015, Berlin).
Vor drei Jahren hatten zwei Forscherinnen im kalifornischen Berkeley und im schwedischen Umea die revolutionäre Methode entwickelt. Einfach, schnell, billig und präzise sollen sich damit Gene jedweder Art im Erbgut verändern lassen. Pflanzen werden bereits so manipuliert, dass sie trockenheitsresistenter sind, Ziegen, damit ihre Muskelmasse und ihr Haarwachstum gesteigert werden oder Schweine, damit sie mehr Fleischmasse zulegen (vgl. Bioedge, online, 21.1.2015). In China ist auch Menschenmanipulation kein Tabu: Im April 2015 hatten chinesische Forscher angegeben, 86 menschliche Embryonen in ihrer Erbinformation genetisch manipuliert zu haben (vgl. IMABE Mai 2015: Umstrittene Manipulation des menschlichen Embryos provoziert Protest). Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind in mehr als 40 Ländern verboten.
Das sog. Gene Editing hat weitreichende Anwendungen in der Grundlagen- und klinischen Forschung und in der Modifikation von Körperzellen. Mit der genetischen Veränderung von Embryonen bzw. der Keimzellen könnten schwere Erbkrankheiten durch Korrektur der Erbinformation therapiert - oder aber auch bestimmte menschliche Eigenschaften gesteigert bzw. verbessert („enhanced“) werden (vgl. Tagesspiegel, online, 2.12.2015).
Allerdings: Die Risiken der Technik für das Individuum und die möglichen Folgeschäden für zukünftige Generationen und Bevölkerungen aufgrund der Veränderung des Erbguts sind noch völlig ungewiss. Das erklärte auch das 12-köpfige Komitee des International Summit on Human Gene Editing. Sie betonten, dass es „unverantwortlich“ sei, bereits jetzt Keimbahn-Manipulationen bei Menschen in der klinischen Praxis vorzunehmen (vgl. Pressemitteilung, online, 3.12.2015). Dazu müssten die Risiken des Verfahrens erst besser verstanden werden. Dennoch: Gleich im ersten Punkt der Stellungnahme halten die Unterzeichner fest, dass eine intensive Grundlagen- und vorklinische Forschung vorangetrieben werden solle und dazu auch Experimente mit menschlichen Embryonen im Frühstadium möglich sein müssten. Allerdings sollten die mit dem Genome Editing modifizierten Zellen (noch) nicht dazu genutzt werden, um eine „Schwangerschaft zu etablieren“.
Als Gründe nannten sie unter anderem Risiken der noch nicht ausgereiften Sicherheit der Methode für das Individuum, die irreversiblen Folgen der Erbgut-Manipulation, die auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden und auch die Sorge um ein Gen-„Tuning“, also der Aufbesserung des Genoms des menschlichen Erbgutes, das auch das soziale Gefälle verschärfen kann. (vgl. Bioedge, online, 5.12.2015)
Die meisten der in Washington versammelten Wissenschaftler waren sich einig: Schon bald wird sich das Interesse regen, Kindern auch Eigenschaften wie größere Intelligenz oder eine höhere Lebenserwartung ins Erbgut zu schleusen. Zwar ist mehr als zweifelhaft, ob so etwas je möglich sein wird, doch der Glaube daran ist weit verbreitet (vgl. Spiegel, online, 4.12.2015). Wenn erst einmal ein Embryo mit erblicher Muskelschwäche durch einen gentechnischen Eingriff kuriert sei, so meinte etwa der Genetiker George Church von der Harvard-University, dann würden sich bald auch Eltern finden, die mit Hilfe desselben muskelstärkenden Gens einen „kleinen Olympioniken“ heranzüchten wollten. Die Forscher würden zwar einige ethische Komplikationen erkennen, doch „wir wollen nicht die Tür zu dieser Idee für immer zuschlagen“, wird die Biochemikerin Jennifer Doudna von der University of California, Berkeley - eine der Wissenschaftlerinnen, die die Technik entwickelt haben - in Nature zitiert (doi:10.1038/nature.2015.18947).