Bioethik aktuell

Frankreich: Sterbehilfe-Befürworter fachen Debatte über neues Gesetz an

Palliativmedizinerin: „Die Legalisierung der Euthanasie ist wie der giftige Apfel des Schneewittchens“

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In Frankreich machen Sterbehilfe-Befürworter für ein neues Gesetz mobil. Auf Initiative des Ex-Sozialisten und nunmehrigen Abgeordneten der Macron-Partei LREM hat Jean-Louis Touraine gemeinsam mit 155 Abgeordneten in einem offenen Brief in der Tageszeitung Le Monde (online, 28.2.2018) dafür plädiert, die aktive Sterbehilfe per Gesetz ab 2019 zu erlauben. Dies entspreche dem Respekt vor der Autonomie des Menschen, der frei über seinen Körper verfügen könne.

Anne de la Tour, Präsidentin der Französischen Gesellschaft für Begleitung und Palliative Care (SFAP), die 10.000 Pflegende und 6.000 Ehrenamtliche vertritt, kritisiert diesen Vorstoß. Die Entkriminalisierung der Euthanasie würde dazu führen, dass ab nun jede Familie und Einzelperson Stellung beziehen müsste. Die Folge seien nicht mehr Rechte, sondern „mehr innere Konflikte, familiäre Spannungen und Schuldgefühle“, so die Palliativmedizinerin in Le Monde (online, 10.3.2018). Sie vergleicht den Vorschlag einer Legalisierung der Euthanasie mit dem Apfel von Schneewittchen: Er sieht wunderbar aus, soll alle Wünsche erfüllen - und entpuppt sich als giftiger Traum, der in den Tod führt. Genau diesen Traumtod würden sich Euthanasie-Befürworter wünschen: „… einen Tod, der im weißen Kittel kommt, die tödliche Injektion verabreicht oder die Tablette gibt, mit sofortiger Wirkung, ohne die Leiden und Unannehmlichkeiten, die jedes ‚Sterben’ bedeutet“.

Der Vorschlag der Tötung auf Verlangen sei an sich schon „vergiftet“. Er lebe von einer neoliberalen Fiktion, in der jeder nur für sich selbst lebt, nur seine „Souveränität“ ausübt und alles „kontrollieren“ will, so de la Tour. Statt einer neuen parlamentarischen Initiative fordert die SFAP deshalb, dass die bestehenden Gesetze zur Palliativversorgung umgesetzt werden. Noch immer hätten bei weitem nicht alle Patienten Zugang zu einer Palliativversorgung. Innerhalb weniger Tage haben mehr als 1.700 Personen ein Manifest der Fachkräfte in der Palliativpflege unterschrieben, in dem sie sich gegen eine Legalisierung aktiver Sterbehilfe aussprechen. „Entlasten und begleiten, ja - den Tod geben, nein“, heißt es in dem Dokument. Die Pflegenden betonen, für sie sei es keine Pflege, den Tod herbeizuführen. Für sie sei Tod ein „natürlicher Prozess“ und kein Ergebnis einer „freiwilligen Tat“.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich in der Sterbehilfe-Debatte bislang zurückgehalten und es vermieden, klare Position in der einen oder anderen Richtung zu beziehen. Seit 18. Jänner 2018 finden in allen Regionen Frankreichs Debatten über die Bioethik-Reform statt. Im Frühjahr veröffentlicht der Nationale Ethikrat (CCNE) einen zusammenfassenden Bericht zur derzeitigen Lage. Im Herbst will die Regierung dann einen ersten Vorschlag zur Überarbeitung der Bioethikgesetze vorlegen. Behandelt werden Themen wie Lebensende, Leihmutterschaft, Pränataldiagnostik oder künstliche Intelligenz (vgl. Arte, online, 18.1.2018).

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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