Leihmutterschaft hat sich in kürzester Zeit als globaler Wirtschaftszweig etabliert, zu dem es jedoch kaum gesellschaftliche und vor allem kritische Diskurse gibt. So will die Den Haager Konferenz (HCCH) für Internationales Privatrecht im Jahr 2016 Leihmutterschaft international regeln, samt Festlegung von sogenannten Mindeststandards. Dagegen formiert sich nun Widerstand, federführend organisiert durch den europaweit vernetzten Verein Collectif pour le Respect de la Personne (CoRP). Ein internationales Expertenhearing Anfang Februar in der Pariser Nationalversammlung soll Fakten gegen eine beabsichtigte Legalisierung der Leihmutterschaft zusammentragen. CoRP fordert explizit ein internationales Übereinkommen gegen die entwürdigenden Formen des „Reproduktions-Tourismus“.
Weder der Körper der Frau, noch die Geburt eines Kindes können in einem System von Produktion und Warenaustausch gehandelt werden, ohne dass dabei die Rechte des Einzelnen grob verletzt werden, argumentiert CoRP. Leihmutterschaft gehöre deshalb nicht anerkannt und geregelt, sondern bekämpft wie einst die Sklaverei, so der von französischen Feministinnen gegründete Verein.
„Es ist höchste Zeit, auch in Österreich aufzuwachen und sich Schulter an Schulter gegen die Ausbeutung von Frauen zu verbünden“, mahnt die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer: „Es gibt keine ethische Leihmutterschaft, das ist ein Widerspruch in sich.“ Sie erwartet sich eine deutlichere Solidarität hiesiger Feministinnen, sich gegen die weltweite Entstehung einer „neuen Form von Frauenarbeit zu wehren: der Fortpflanzungsarbeit.“
Von der „Freiwilligkeit und dem Altruismus“ der Leihmütter zu sprechen, hält Kummer für eine Nebelleuchte, die wesentliche Punkte verdeckt. „Selbstverständlich muss es Grenzen der Vermarktung des eigenen Körpers geben, sonst müssten wir ja auch das Verbot des Organhandels aufgeben.“ Geld spielt immer eine Rolle, denn selbst dort, wo Leihmutterschaft kommerziell verboten ist, gibt es „Aufwandsentschädigungen“, die häufig Quasi-Bezahlungen gleichkommen.
Dazu kommt die Tragik jener Frauen in prekären finanziellen Situationen, die sich als Fortpflanzungsarbeiterinnen anbieten. Die gesundheitlichen Folgeschäden, aber auch die starke Bindung zum Kind, das in ihrem Leib heranwächst, werden zum Problem. Manche wollen und können das Kind nach Geburt nicht an die Bestelleltern abgeben. „Die Frauen sollen aber wie eine Maschine, wie ein Brutkasten funktionieren, sie haben kein Recht darauf, Gefühle zu entwickeln“, kritisiert die IMABE-Geschäftsführerin.
Erst kürzlich hat sich in den USA erstmals eine Leihmutter öffentlich gegen eine vom Bestellvater eingeforderte Abtreibung eines Drillings gewehrt (vgl. RTL online, 22.12.2015). Auch die Abtreibung eines behinderten Kindes kann vertraglich erzwungen werden. Frauen, die sich weigern, wird die Gebärlieferprämie nicht ausbezahlt. Kummer: „Hier herrscht eine komplette Logik von Qualitätsprodukt Kind. Das ist erniedrigend und entwürdigend für das Kind und die Frau.“ Die Bioethikerin fordert auch die österreichische Regierung auf, dagegen tätig zu werden.
Das Europäische Parlament hatte kürzlich erstmals ein Signal gesetzt. In einer Stellungnahme, in der die Lage der Menschenrechte und Demokratie in der Welt behandelt wird (T8-0470/2015, Nr. 115, online, 17.12.2015) verurteilte das EU-Parlament im Kapitel Rechte von Frauen und Mädchen die sog. „Ersatzmutterschaft“ als „Herabsetzung der Menschenwürde von Frauen“. Ihr Körper und die reproduktiven Funktionen würden dadurch „als Ware genutzt werden“. Die Leihmutterschaft stelle eine reproduktive Ausbeutung dar und müsste untersagt werden, so der Entschließungsantrag. Insbesondere Frauen in Entwicklungsländern seien anfällig, auf diese Weise ausgenutzt zu werden. Daher sollte ein internationales Verbot der Leihmutterschaft auch Priorität im Rahmen der Menschenrechtsinstrumente haben, so Berichterstatter Cristian Dan Preda (EVP).
Zwar hat die Entschließung des Europäischen Parlaments keinen normativen Rahmen, allerdings sei die Erklärung der Abgeordneten „ein Schritt in die richtige Richtung“, betont Grégor Puppinck, Direktor des Europäischen Zentrums für Recht und Gerechtigkeit (ECLJ). Der Jurist hat im September 2015 eine Studie zu den völkerrechtlichen Möglichkeiten, Leihmutterschaft zu verbieten, vorgelegt (vgl. Quelles voies de droit international pour interdire la maternité de substitution).
Zum Eklat war es am 23. November 2015 in Paris gekommen. Die belgische Berichterstatterin des Sozialausschusses des Europarates, die Grünen-Abgeordnete Petra de Sutter, hatte den zu diskutierenden Entschließungsantrag zum Thema Leihmutterschaft vorbereitet. Die Sitzung musste jedoch abgebrochen werden, da sich herausstellte, dass de Sutter als Reproduktionsmedizinerin selbst in das Geschäft der Leihmutterschaft involviert ist (vgl. RTBF, online, 6.10.2014). Wegen Unvereinbarkeiten und Verdacht auf Interessenskonflikte wird nun geprüft, ob de Sutter in ihrer Funktion als Berichterstatterin abgesetzt werden soll.