In Deutschland wird die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) künftig die Kosten Nichtinvasiver Molekulargenetischer Pränataltests (NIPT) zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 bezahlen. Darauf hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einstimmig verständigt, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 19.9.2019). Hauptargument der Test-Befürworter ist, dass der Bluttest risikoärmer als die bisher möglichen Fruchtwasseruntersuchungen oder Biopsien sei, bei denen es zu Fehlgeburten kommen kann. Diese könnte man sich ersparen, wenn der Bluttest negativ sei.
Die Kostenübernahme soll laut G-BA bei sog. „Risikoschwangerschaften“ übernommen werden. Per Definition sind das alle Frauen, die zum Zeitpunkt der Schwangerschaft 35 Jahre oder älter sind. Bei 35 Jahren liegt das Risiko für eine Trisomie 21 in Zusammenhang mit dem mütterlichen Alter bei 0,26 Prozent (1:385). In Deutschland liegt das durchschnittliche Alter der Erstgebärenden bei 30 Jahren. Von einem „flächendeckenden Screening“ will sich der G-BA aber distanzieren.
Laut einem aktuellen Report von Markets and Markets zählen nicht-invasive Pränataltests (NIPT) zu einem boomenden Markt mit hoher Wachstumsrate. Diese ist bedingt durch das steigende Alter von Müttern sowie die Kostenübernahme durch Krankenkassen. Der NIPT-Markt wurde mit 3,9 Mrd. US-Dollar für das Jahr 2019 beziffert, die Prognose für 2024 liegt bei 7,3 Mrd. US-Dollar (online, Sept.2019).
„Die Blutentnahme ist scheinbar harmlos, gefährdet weder Frau noch Fötus. Doch er zielt auf einen zentralen ethischen Konflikt: Wie soll sich unsere Gesellschaft zu Abweichungen stellen? Trägt sie absehbare gesundheitliche Einschränkungen als Solidargemeinschaft mit - oder erhöht sie den Erwartungsdruck auf Betroffene, Embryonen mit genetischen Auffälligkeiten abzutreiben und damit Kosten für die Gemeinschaft zu minimieren?“, resümiert Ethikerin Susanne Kummer die Fragen, die vom Regeleinsatz der NIPT ausgehen.
Kritiker warnen davor, dass eine beständige Ausweitung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik zu einer zunehmenden Diskriminierung von Menschen mit Behinderung führen wird und die Ansprüche auf ein gesundes Kind steigen. „Wer darf angesichts billiger und immer leichter verfügbarer Untersuchungsmethoden dann noch ungetestet ins Leben? Auf diese Entwicklungen müssen wir als Gesellschaft eine klare Antwort finden“, betont Kummer. Denn dies sei erst der Beginn einer Entwicklung: Mit Hilfe des mütterlichen Bluts werde in Kürze das Risiko für viele andere Krankheiten festgestellt werden, von Mukoviszidose bis hin zu neurodegenerativen Erkrankung wie Chorea Huntington, die erst im Alter von 40 Jahren ausbricht. „Wir stehen am Beginn einer ganzen Palette von weiteren NIPT, die auf den Markt drängen. Der Trisomie-Bluttest ist erst das Einfallstor.“ Beobachter sprechen angesichts der Flut neuer genetischer Screeningmethoden bereits von einer „pränatalen Straßensperre“ für das Leben und einer Überforderung der Schwangeren (vgl. Bioethik aktuell,19.3.2019).