In Deutschland kommt vorerst nur eine Cannabis-Legalisierung „light“. Statt des von der Ampel-Koalition geplanten staatlich kontrollierten Anbaus und Verkaufs von Marihuana als „Genussmittel“ wird der Besitz von 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf künftig straffrei bleiben, ebenso wie der Eigenanbau mit bis zu drei Pflanzen. In einem zweiten Schritt soll in einzelnen Modellregionen der legale Verkauf über lizenzierte Fachgeschäfte getestet werden. Gestattet wird auch die Selbstversorgung über sogenannte Cannabis Social Clubs (CSC). Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll noch im April vorliegen (WDR, 12.4.2023).
Expandierende Cannabis-Industrie setzt sich für Legalisierung ein
Die internationale Cannabis-Industrie hatte bereits Milliardenumsätze dank des neuen Großkunden Deutschland gewittert, die Goldgräber-Stimmung wurde nun gedämpft. Auch die etwa 4,7 Milliarden Euro neuen Steuereinnahmen, die von Befürworten einer Legalisierung in Aussicht gestellt wurden, fallen weg. Wegen völker- und europarechtlicher Bedenken kommt vorerst nur die abgespeckte Cannabis-Legalisierung (FAZ, 12.4.2023). Die EU überlässt es zwar den Mitgliedstaaten, den Konsum freizugeben, Anbau, industrielle Verarbeitung, Handel und Vertrieb sind laut EU-Recht aber verboten. Am eigentlichen Projekt will die Ampel-Koalition trotz allem festhalten. Aus SPD-Sicht wird erwartet, dass die Modellregionen im Idealfall jene Datengrundlage bieten, um den ursprünglich geplanten staatlich lizenzierten Anbau und Verkauf von Cannabis als Freizeitdroge zu ermöglichen (vgl. Deutsches Ärzteblatt, 3.4.2023).
Ärzteschaft zeigt sich "bestürzt"
Harsche Kritik gab es seitens der Ärzteschaft: Der Plan, die Cannabisabgabe in Modellregionen zu testen, erwecke „den Anschein, die Legalisierung unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit einzuführen“, kritisierte etwa Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. „Wir sind geradezu bestürzt, dass ein Bundesgesundheitsminister aufgrund einer Koalitionsvereinbarung die Legalisierung einer Substanz ausarbeiten muss, von der wir wissen, dass sie hirnorganische Veränderungen hervorruft, zu Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen führt sowie Abhängigkeiten und psychische Veränderungen auslösen kann“, so der Ärztekammerpräsident (Deutsches Ärzteblatt, 13.4.2023). Diese würde aber in der politischen Diskussion ausgeklammert, verharmlost oder gegen ordnungspolitische Argumente wie zum Beispiel Entkriminalisierung der Konsumenten aufgewogen.
Cannabis legalisieren ist ein Holzweg im Kampf gegen den Schwarzmarkt
Den teuren Modell-Feldversuch könnte sich Deutschland vermutlich sparen. Ein Blick auf einige US-Bundesstaaten und Kanada zeigt, dass der „Königsweg“ der Cannabis-Legalisierung samt staatlich zertifiziertem Anbau und Verkauf ein Holzweg ist. Denn das Hauptziel, das die Regierungen mit der Legalisierung von Cannabis verfolgen – die Verringerung krimineller Aktivitäten und die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit – kann durch eine Legalisierung nicht erreicht werden. Das unterstrich jüngst der UN-Drogenkontrollrat (INCB) in seinem Jahresbericht 2022. Die Daten zeigen, dass das illegale Cannabisangebot in allen legalisierenden Ländern weiterhin hoch ist und in Kanada 40 Prozent, in Uruguay fast 50 Prozent und in Kalifornien sogar 75 Prozent erreicht (Pressmitteilung, 9.3.2023).
Höhere Zahl medizinischer Notfälle durch "Freizeitdroge"
Die geplante Legalisierung von Cannabis in Deutschland würde das Risiko von erhöhtem Konsum unter Jugendlichen und eines wachsenden Schwarzmarkts für diese Droge bergen. Zudem wies der UN-Drogenkontrollrat, der die Einhaltung der internationalen Drogen-Konventionen überwacht, darauf hin, dass die Freigabe von Cannabis als Genussmittel „unvereinbar“ mit diesen Abkommen sei. Nur der medizinische und wissenschaftliche Gebrauch sei erlaubt. In allen Ländern, in denen Cannabis legalisiert wurde, liegen Daten vor, dass cannabisbedingte Gesundheitsprobleme zugenommen haben. Laut Angaben des UN-Drogenkontrollrats (INCB) haben sich zwischen 2000 und 2018 die weltweiten medizinischen Aufnahmen im Zusammenhang mit Cannabisabhängigkeit und -entzug verachtfacht. Die Einweisungen aufgrund cannabisbedingter psychotischer Störungen haben sich weltweit vervierfacht.
Kalifornien und Kanada zeigen vor, wie man es nicht machen sollte
Der illegale Parallelmarkt floriert und gräbt den legalen Cannabis-Fabriken das Wasser ab. Wie kommt es zu diesem Paradox? Als im Jahr 2018 der US-Bundesstaat Kalifornien und Kanada als erstes Industrieland der Welt Cannabis für den Freizeitgebrauch legalisierten, wurden Milliardengewinne und ein Einbruch des Schwarzmarktes prognostiziert. Doch daraus wurde nichts, wie die beiden US-Ökonomen Robin Goldstein und Daniel Sumner vom Department of Agricultural and Resource Economics der University of California (Time Magazin, 21.6.2022) aufzeigen. Stattdessen mussten lizenzierte Produktionsstätten schließen und hohe Verluste einfahren. Eine staatliche Lizenzierung kostet viel Geld, der qualitätskontrollierte Anbau von Cannabis ist ein hoher bürokratischer Aufwand und mit vielen Auflagen verbunden. Das macht die Produkte teurer als solche am Schwarzmarkt. Die meisten der Konsumenten wollen es lieber um die Hälfte billiger – und besorgen sich Cannabis weiter unkontrolliert.
Der illegale Markt ist kaum unter Kontrolle zu bringen, denn: Höhere Strafen und festes Durchgreifen sind nach einer Legalisierung politisch nicht durchzubringen. Niemand habe noch „den Mut, einen Haufen Leute ins Gefängnis zu werfen, weil sie Cannabis verkauft haben, das jetzt eine legale Substanz ist“, so die US-Ökonomen.