Der Staat sollte nach Auffassung des Deutschen Ethikrats nicht verpflichtet werden, Menschen beim Suizid zu helfen. In einer Ad hoc-Stellungnahme Suizidprävention statt Suizidunterstützung widerspricht die Mehrheit der Ethikrat-Mitglieder darin dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig von März 2017 (vgl. Bioethik aktuell, 6.3.2017), wonach der „Zugang zu einem Betäubungsmittel, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, in extremen Ausnahmesituationen nicht verwehrt werden“ dürfe.
Das Bundesverwaltungsgericht begründet inzwischen ausführlich das Urteil (Az.: BVerwG 3 C 19.15). Darin heißt es u. a., dass der Staat eine Schutzpflicht habe, die Selbstbestimmung insbesondere schwer kranker Menschen zu achten - auch in Hinblick auf eine beabsichtigte Selbsttötung: „Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen nicht einfach sich selbst überlassen.“ Deshalb müsse sie ihn unterstützen, die „angestrebte Selbsttötung“ in der von ihm „beabsichtigten Weise umzusetzen“. Der Staat solle daher in Ausnahmefällen einen Zugang zu Betäubungsmitteln zum Zweck der Selbsttötung ermöglichen, so die Richter.
Für die Mehrheit des Ethikrats ist dieses Urteil inakzeptabel und unterläuft ethische Grundwertungen. Vor einer staatlichen Suizidhilfe hatten zuvor auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die Bundesärztekammer, NGOs und die Kirchen gewarnt.
„Es ist erschreckend zu beobachten, wie ein Gericht Tötung nun als Therapie umdefiniert - und die Beihilfe zum Suizid mit dem Rekurs auf das Recht zur Selbstbestimmung salonfähig gemacht werden soll“, sagt Susanne Kummer, Geschäftsführerin des Wiener Bioethikinstitut IMABE. Nun sollen Beamte einer Behörde, nämlich des zuständigen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dazu gezwungen werden, Suizidwünsche zu überprüfen und gegebenenfalls Patienten, die an Suizidgedanken leiden, ein Tötungsmittel auszuhändigen.
„Wer Suizide materiell unterstützt, arbeitet nicht präventiv, sondern fördert sie. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die die gesamte Suizidprävention unterhöhlt“, betont Bioethikerin Kummer. So ist etwa in Österreich die Zahl der Suizide zwar rückläufig, jedoch mit 1.313 Suizidtoten im Jahr 2014 mehr als dreimal so hoch als jene der 430 Verkehrstoten (vgl. Suizidbericht 2015). Man wisse inzwischen, dass Suizide auch eine Frage der Gelegenheit sind, ergänzt Kummer. So ist seit der Verschärfung der Waffengesetze 1997 die Zahl der Selbstmorde durch Schusswaffen signifikant gesunken, ohne dass andere Formen der Selbsttötung anstiegen.
„Strengere Waffengesetze senken also die Suizidrate. Aber die Vergabe von tödlichen Medikamenten an suizidgefährdete Menschen soll erlaubt werden? Das widerspricht der Schutzpflicht des Staates.“ Wer sich die Zahlen jener Länder ansieht, die Beihilfe zum Suizid legalisiert haben, sieht eindeutig: „Mit dem Angebot steigt die Nachfrage und damit die Zahl der Suizide“, so Kummer, die auf die Schweiz verweist. Dort haben alleine im Jahr 2015 rund 1.300 Menschen mit Unterstützung von Dignitas, Exit und Eternal Spirit Suizid begangen - Tendenz steigend.