Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz zu den Fragen des Klonens und der Präimplantationsdiagnostik (PID)
PID steht nicht im Dienste einer Therapie oder einer Heilung, sondern allein im Dienste der Entscheidung über Leben oder Tod. Sie ist unmittelbares Instrument zur Selektion und mittelbares Instrument zur Tötung von Menschenleben.
PID öffnet – auch dann, wenn sie nur beschränkt zugelassen wird – einer schwer kontrollierbaren Menschenselektion Tür und Tor. Die Grenze zwischen Defekt und Mangel an erwünschten Eigenschaften wird immer sehr unscharf bzw. kulturell und modebedingt bleiben. Mit Hilfe von PID wird es theoretisch sogar möglich, Embryonen auf Normalmerkmale zu testen, nur um Menschen nach persönlichen Vorstellungen auszuwählen. Der Mensch darf sich aber nicht anmaßen, über die Eigenschaften der künftigen Generationen bestimmen zu können.
De facto würde eine gesellschaftliche Akzeptanz von PID Menschen mit Behinderung langfristig unter einen unerträglichen, entwürdigenden sozialen Druck setzen: Sie würden als Individuen gelten, die der etablierten Selektion entkommen sind. Letztlich würde sich ein menschenentwürdigendes Denkmuster verbreiten, wonach Kinder nicht als Geschenk Gottes und Frucht der Liebe vorbehaltlos angenommen werden, sondern nur, wenn sie einem bestimmten Kriterienkatalog entsprochen haben.
Zu bedenken ist auch: Sollten die bei Durchführung der PID dem Embryo entnommenen Zellen „totipotent“ sein, dann würde es sich um entwicklungsfähige Embryonen handeln, die mit dem Ziel der Diagnoseerstellung „verbraucht“, also getötet werden. Außerdem: PID ist nachgewiesenermaßen eine unsichere Methode, d. h. manchmal erweisen sich als behindert bzw. vermutlich behindert diagnostizierte Embryonen als gesund, wenn nicht abgetrieben worden ist. Außerdem ist diese Methode sehr risikoreich. Durch die Zellentnahme bei Anwendung von PID geht ein gewisser Prozentsatz von gesunden Embryonen zugrunde. In all diesen Zusammenhängen kommt es zu direkten Verstößen gegen die Integrität des Lebens. Es gibt daher viele Gründe, die Nichtzulassung der PID nicht aufzuweichen.
Den Reproduktionsmedizinern geht es um eine größere Effizienz der IVF. Sie möchten die Erfolgsrate bei der Implantation von Embryonen steigern und den Frauen die Implantation mit lebensunfähigen Embryonen ersparen. Das ist verständlich, aber bei Approbation der PID ergeben sich unvermeidlich die oben aufgezeigten Probleme.
Die österreichischen Bischöfe sind prinzipiell – ähnlich wie es bereits in einigen anderen Ländern Europas (z. B. Italien) geschehen ist – für eine restriktive Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes, weil ihre von Anfang an gegen die IVF (Befruchtung im Reagenzglas) erhobenen Einwände durch die Entwicklungen der letzten Jahre voll bestätigt werden: Es besteht das große Problem der überschüssigen Embryonen und der häufig vorkommenden Fetozide bei Mehrlingsschwangerschaften. Zudem ist bei künstlicher Befruchtung die Zahl gesundheitlich beeinträchtigter Kinder signifikant höher, abgesehen davon, dass nach Auffassung der katholischen Kirche schon die bloße Tatsache von IVF einen Verstoß gegen die Würde der Person bedeutet, der bei heterologer Insemination besonders schwerwiegend ist.
19. Juli 2004