Ein Forscherteam aus China und den USA hat erstmals Chimären-Embryonen aus Affe und Mensch gezüchtet. Sie injizierten menschliche Stammzellen in 132 Affen-Embryonen im Frühstadium und verfolgten deren Entwicklung über 19 Tage. Es entwickelten sich Mensch-Tier-Wesen, in denen sich die Zellen beider Arten vermehrten und differenzierten. Während die Wissenschaftler die Chancen solcher Chimären in den Vordergrund stellen, werfen die Experimente fundamentale ethische Fragen auf. Der Deutsche Ethikrat hatte bereits 2011 in einer Stellungnahme gefordert, dass Versuche der Erzeugung von transgenen Menschenaffen wegen der nahen Verwandtschaft zu Menschen untersagt werden sollten.
Das Forscherteam um Tao Tan vom staatlichen Labor für biomedizinische Primatenforschung in China hatte jeweils 25 menschliche pluripotente Stammzellen in Makake-Affenembryonen – sechs Tage nach deren Befruchtung – injiziert (vgl. Cell, 2021; doi: 10.1016/j.cell.2021.03.020). Aus diesen Blastozysten entwickelten sich 132 Misch-Embryonen. Die in ihnen enthaltenen menschlichen Zellen entwickelten sich weiter und hatten Anteil an den ersten Phasen der Differenzierung embryonaler Gewebe, berichtet Scinexx (online 19.4.2021). Die Mischwesen wuchsen in den nächsten Tagen weiter heran, bis zum 19. Tag waren allerdings nur noch drei von ihnen am Leben. Wie sich die Stammzellen weiter entwickeln würden, ist nicht bekannt. Um dies herauszufinden, müssten die Embryonen wohl in eine Gebärmutter implantiert werden, was jedoch nicht geplant ist und (noch) auf ethische Bedenken stößt (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online 16.4.2021). Ziel dieses Versuches war es u.a. Wege zu finden, intakte menschliche Zellen, Gewebe und Spenderorgane in Tieren zu züchten.
Allerdings: Tiere sind nicht einfach Behälter oder Maschinen, die Organe erzeugen. Es kommt zu zahlreichen Interaktionen, sodass die Grenze zwischen Mensch und Tier verschwimmt. Wissenschaftler sehen die Embryo-Chimären deshalb weit kritischer – vor allem aus ethischer Sicht. Bereits die Züchtung einzelner menschlicher Gewebe oder Organe in Tieren wirft viele Fragen auf. Noch mehr bei Versuchen der Entwicklung menschlicher Zelllinien in Misch-Embryonen: sie sind nicht kontrollierbar. Dadurch könnten Wesen entstehen, die ein teilweise menschliches Gehirn besitzen oder deren Geschlechtsorgane gemischte Tier-Mensch-Keimzellen produzieren (vgl. Wissen.de, 18.4.2021).
Michael Coors, Leiter des Instituts für Sozialethik am Ethikzentrum der Universität Zürich, weist darauf hin, dass es noch weitgehend unklar sei, ob und in welchem Maße das Risiko besteht, „dass menschliches Erbgut zum Beispiel auch in die Keimbahn der Chimären eindringt oder deren Gehirnentwicklung beeinflusst“ (vgl. Die Welt, 15.4.2021). Dass menschliche Gene das Gehirn von Affen tatsächlich verändern und offenbar sogar zu einer größeren Leistungsfähigkeit stimulieren können, zeigt eine Studie, die Forscher bereits 2019 veröffentlicht hatten (National Science Review, Volume 6, Issue 3, May 2019, Pages 480–493, https://doi.org/10.1093/nsr/nwz043). Das Kurzzeitgedächtnis jener Rhesus-Affen, in denen ein humanes Gen eingeschleust wurde, schnitt zwei bis drei Jahre später besser ab als jenes ihrer Artgenossen.
Auch für Anton Losinger, deutscher Bischofsvikar für Bioethik und bis 2016 Mitglied des Deutscher Ethikrates, werfen Mensch-Affen-Chimären schwerwiegende ethische Fragen auf (vgl. Interview Domradio, 16.4.2021). Zum einen stelle sich die Frage, ob es legitim sei, „einen Totalübergriff des Menschen auf die Biosphäre zu generieren und die Natur, auch die tierische Welt, komplett zu gebrauchen, um eigene Vorteile zu erzielen“. Die Erfahrungen der Covid-19-Pandemie zeigen dramatische Auswirkungen, wenn Krankheitserreger von Tieren auf Menschen überspringen. Aus biomedizinischer Sicht müsse man daher nach dem „Sicherheitscharakter der Medizin beim Gebrauch von Mensch-Tier-Experimenten“ fragen. Letztlich ginge es um die Frage von Menschenrechte, aber auch um Tierrechte. Einerseits setzt diese Art Forschung die Vernichtung von menschlichen Embryonen voraus, was ethisch eindeutig abzulehnen ist. Andererseits müsse auch die Frage der Tierrechte mitbedacht werden. Laut Losinger brauche es ein sensibles Nachdenken darüber, wie weit der Mensch sich „in die Biosphäre der Wirklichkeit dieser Welt hinein verbrauchen“ dürfe, um Hoffnungen auf zukünftigen Nutzen für andere Menschen zu generieren.