Der Präsident der Deutschen Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, kritisiert den Beschluss des Bundestags scharf: „Das Cannabisgesetz ist ein kleinteiliger, politischer Formelkompromiss, der die selbst gesetzten Ziele eklatant verfehlt.“ Jugendliche würden nicht geschützt, sondern großen Risiken ausgesetzt. Justiz und Polizei würden nicht entlastet, sondern gravierend überlastet. Zudem zeigen Beispielländer wie Kanada, dass der Schwarzmarkt nicht eingedämmt werden könne (Deutsches Ärzteblatt, online 23.2.2024).
Noch kurz vor der Abstimmung gab es weitere Kritik an dem Vorhaben
Die Innenminister der Bundesländer hatten bis zuletzt gegen das Gesetz opponiert. Sie warnten in einem parteiübergreifenden Appell an die Bundestagsfraktionen vor den Folgen der geplanten Cannabis-Legalisierung. Es seien „gravierende negative Auswirkungen auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, den Kinder- und Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz“ zu befürchten, heißt es in dem Schreiben der Innenministerkonferenz (FAZ, 17.2.2024).
Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter, der Deutsche Richterbund und zahlreiche andere Interessenverbände hatten sich gegen das Gesetz in seiner jetzigen Form ausgesprochen (Bioethik aktuell, 15.1.2024).
Ärzte warnen vor Gesundheitsschäden bei Jugendlichen
„Jugendschutz sieht aus meiner Sicht anders an“, betont BÄK-Präsident Reinhardt im aktuellen BÄK-Podcast Sprechende Medizin. „Durch die Freigabe wird eine Droge verharmlost, die nachgewiesenermaßen abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden führen kann – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“
Der Bundeskammerärztepräsident wies darauf hin, dass die Entwicklungsprozesse des Gehirns bis zum 25. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen seien und der Konsum von Cannabis diese Prozesse negativ beeinflussen könne. „Diese Schäden sind dauerhaft und bleiben lebenslang wirksam“, erklärte er. „So steigt das Risiko von nachhaltigen kognitiven Funktionsdefiziten, das Auftreten von Psychosen, Depressionen oder Angststörungen signifikant.“
Verantwortungsloses Gesetz: „Schwarzer Tag für die Suchtprävention“
Auch der Präsident der Landesärztekammer Hessen (LÄKH), Edgar Pinkowski, bezeichnete die Annahme des Gesetzes als gravierende Fehlentscheidung und „schwarzen Tag für die Suchtprävention“. „Durch die Freigabe wird eine Droge verharmlost, die abhängig macht und bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schweren Entwicklungsschäden mit nachhaltigen kognitiven Defiziten, Psychosen und Depressionen führen kann“, kritisierte er. Es sei verantwortungslos, dass sich SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seinem Gesetzesentwurf, dessen Ziele der internationalen Erkenntnislage widersprächen, über die Bedenken von Ärzten und weiteren Fachleuten hinweggesetzt habe.
Eltern wissen mehr über Gefahren von Cannabis-Konsum als Jugendliche
Auch viele Eltern haben schon jetzt Sorgen wegen Cannabislegalisierung für Erwachsene, weil sie Folgen für ihre Kinder befürchten. Dies ergab eine Anfang Februar durchgeführte Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Demnach sorgen sich 63 Prozent der befragten Elternteile mit Kindern unter 18 Jahren darum, dass die Hemmschwelle für Minderjährige sinke, wenn Kiffen für Erwachsene legal werde. 73 Prozent fürchten mögliche Hirnschäden bei ihrem Nachwuchs, 70 Prozent machen psychische Auffälligkeiten wie Stimmungsschwankungen oder Angstzustände Sorgen.
Gut zwei Drittel der Eltern (69 Prozent) denken, dass ein häufiger Konsum von Cannabis Kinder und Jugendliche abhängig macht. 64 Prozent befürchten dadurch einen Leistungsabfall in der Schule, 55 Prozent denken, Minderjährige könnten auf die schiefe Bahn geraten.
Je jünger die Konsumenten, desto höher das Risiko für langfristige Schäden
Hirnforscher Martin Korte (Institut für Zelluläre Neurobiologie, TU Braunschweig) bestätigt die Sorgen der Eltern: Wenn Jugendliche regelmäßig kifften, riskierten sie eine verminderte Fähigkeit, Handlungen zu planen, Probleme zu lösen und Impulse zu kontrollieren. Die Leistungsfähigkeit nehme insgesamt ab. Zudem können durch starken Cannabis-Konsum Regionen im Gehirn aktiviert werden, die Halluzinationen auslösen und zu psychotischen Symptomen führen. "Je jünger die Konsumenten sind, desto höher ist das Risiko für all diese Auswirkungen", so Korte.
100 Joints pro Monat sind legal, der Schwarzmarkt wird blühen
Das Gesetz sieht vor, dass vom 1. April an Personen ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Cannabis zum eigenen Verbrauch besitzen dürfen - das entspricht in etwa 100 Joints. In der eigenen Wohnung sind drei lebende Cannabispflanzen und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum legal. Ab Juli 2024 sollen auch „Anbauvereinigungen“ für Volljährige erlaubt sein, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander monatlich bis zu 50 Gramm je Mitglied zum Eigenkonsum abgeben dürfen.
Der Kleinhandel werde durch die Pläne „im Prinzip legalisiert“, kritisiert der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow (Tagesschau, 22.2.2024). Dealer könnten bis zu 25 Gramm bei sich tragen und es sei nicht möglich, dass die Polizei „unterscheiden kann zwischen legal angebautem Cannabis und illegalem“. Der Schwarzmarkt werde so nicht eingedämmt, sondern gefördert.