Der erste Gesetzesentwurf zur COVID-19-Impfpflicht ist da (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG (164/ME). Sie soll ab 1. Februar 2022 für alle Personen, die in Österreich ihren festen Wohnsitz haben, gelten. Wer sich nicht impfen lässt, muss mit hohen Geldstrafen rechnen: 600 Euro alle drei Monate, die Höchststrafe beträgt 3.600 Euro bzw. 2.400 Euro pro Jahr, wobei der Gesundheitsminister eine soziale Staffelung vorsehen kann. Von der Impfpflicht ausgenommen sind Kinder bis 14 Jahren, Schwangere, Genesene bis 180 Tage nach dem positiven Test und Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Am 15. Februar 2022 bekommen alle Ungeimpften Post vom Gesundheitsminister mit der Aufforderung, impfen zu gehen. Anerkannt werden die Impfstoffe von BioNtech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson. Um zu wissen, wer in Österreich nicht oder nicht ausreichend immunisiert ist, sollen das zentrale Impfregister sowie das Zentrale Melderegister (ZMR) herangezogen und abgeglichen werden. Ab 15. März werden dann die ersten Strafen von der Bezirksverwaltungsbehörde verschickt, berichten mehrere österreichische Medien (vgl. u.a. Standard, online 5.12.2021).
Die Türkis-Grüne-Koalition hatte die Einführung der Impfpflicht parallel mit ihrer Entscheidung, einen weiteren Lockdown angesichts der vierten Coronavirus-Welle zu verhängen, angekündigt. Das war für beide Regierungsparteien eine Kehrtwende, davor hatten sie eine Impfpflicht stets abgelehnt. In den Bundeshauptstädten kommt es seit der Ankündigung in ganz Österreich zu Großdemonstrationen Ob eine COVID-19-Impfpflicht rechtens ist, wird auch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigen.
Die Lage in den Krankenhäusern und Intensivstationen spitzt sich in etlichen Ländern zu. Vor diesem Hintergrund ist eine Debatte um eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus entbrannt, nicht nur in Österreich. Im Gegensatz zu anderen Staaten gab es in Österreich bisher auch keine Berufsgruppen spezifische COVID-19-Impfpflicht. In anderen Ländern wie Frankreich, Italien, Griechenland oder Belgien ist dagegen eine Impfpflicht für medizinisches Personal und Pflegekräfte inzwischen verpflichtend (vgl. LpB BW 12/21). Wer sich dort als Angehöriger dieser Berufsgruppen nicht impfen lässt, kann versetzt, suspendiert oder entlassen werden, was allerdings auch zu weiteren Engpässen in der Versorgung wegen fehlenden Personals geführt hat.
Prinzipiell gilt in Österreich am Arbeitsplatz 3G - Personen dürften nicht per Gesetz von vorneherein vom Erwerbsleben ausgeschlossen werden, Arbeitgebern bleibt es aber offenbar selbst vorbehalten, ob sie strengere Regeln einziehen. Ob à la longue eine Impfpflicht am Arbeitsplatz eingeführt werden soll, wollte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein im ZiB2-Interview nicht beantworten (vgl. ORF, 6.12.2021). Der Gesetzesentwurf soll ab 7. Dezember mit einer vierwöchigen Begutachtungsfrist vorliegen. Nicht festlegen wollte man sich, ob die Impfplicht überhaupt eingeführt wird, falls bis Februar die Impfrate noch deutlich steigen sollte (vgl. ORF online, 30.11.2021).
Deutschland will dem Beispiel Österreichs folgen. Der Bundestag soll einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausarbeiten, laut dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sollen die Abgeordneten dann nach ihrem Gewissen ohne Fraktionszwang abstimmen dürfen (vgl. FAZ, online 5.12.2021).
In der Schweiz wird eine obligatorische Impfung derzeit abgelehnt (vgl. Der Bund, 27.11.2021). Die Präsidentin des Nationalen Ethikkomitees der Humanmedizin, Andrea Büchler, hält den Preis für „zu hoch“. Die Wertschätzung für Selbstbestimmung und Freiheit in der Schweiz seien zu ausgeprägt für eine staatliche Impfpflicht, so Büchler.
Der tschechische Präsident Miloš Zeman hingegen hat die Visegrad-Länder aufgefordert, dem österreichischen Beispiel zu folgen und COVID-19-Impfungen für alle verbindlich vorzuschreiben. Anders der polnische Präsident Andrzej Duda, der gegen Impfpflicht ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, die Impfung gegen COVID-19 in Polen verpflichtend zu machen“, sagte Duda. Es sei notwendig, die Frage der Impfung „so klug wie möglich“ anzugehen, „alle Vor- und Nachteile“ abzuwägen und sich impfen zu lassen.
Dass die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen eine Impfpflicht für die gesamte EU ins Spiel gebracht, halten Beobachter für ein Ablenkungsmanöver. Die Hysterie um „Impfpflicht ja oder nein“ nun auch auf EU-Ebene anzufachen, lenke massiv von der eigentlichen Frage ab, wie nämlich diese Pandemie global besiegt werden könne (ARD Tagesschau, 1.12.2021). Zahlreiche ärmere Länder sind bei weitem nicht mit genügend Impfstoff versorgt, währende in den reicheren bereits der dritte Stich verabreicht wird. Zudem blockiere die EU bislang den dringenden Wunsch von Indien und Südafrika, die Impfstoff-Patente zumindest temporär freizugeben, kritisieren Beobachter.