Kommerzielle Gentests liegen in den USA schon lange im Trend. Auch in Europa wächst der Markt. Das wirft viele Fragen auf. Wie geht man mit Ergebnissen von Gentests um, die das Risiko für eine Erkrankung oder Leistungsdefizite vorhersagen können? Was löst dies in den Betroffenen aus?
Ein US-Team von Psychologen um Bradley P. Turnwald vom Department für Psychologie der kalifornischen Stanford University ging diesen Fragen nach. Sie untersuchten die Auswirkungen von DNA-Tests auf 200 Probanden. Das Ergebnis ihrer in Nature Human Behaviour (2019: 3: 48-56) publizierten Studie: Sobald den Testpersonen mitgeteilt wurde, dass sie genetisch bedingte körperliche Risiken in sich trugen, sank ihrer physische Leistung - unabhängig vom tatsächlichen genetischen Risiko. Offenbar kann also lediglich das Wissen um ein genetisches Risiko für eine Erkrankung das tatsächliche physiologische Risiko erhöhen, weil die subjektive Erfahrung das Verhalten negativ beeinflusst, so die Autoren.
Die Forscher prüften etwa, wie leistungsfähig die Testpersonen auf dem Laufband waren und wie schnell sich beim Essen ein Sättigungsgefühl einstellte. Außerdem führten sie DNA-Tests auf entsprechende Veranlagungen durch. Dann teilten sie einer Gruppe von Probanden mit, dass sie genetisch schlechter ausgestattet wären und deshalb geringer belastungsfähig - obwohl dies nicht stimmte. Jene Gruppe schnitt beim zweiten anspruchsvollen Laufband-Test deutlich schlechter ab als die Vergleichsgruppe. Auch ihre Lungenkapazität war reduziert, sie bauten Kohlendioxid weniger effizient ab und hörten früher mit dem Laufband-Test auf, obwohl sie gesund waren (vgl. Standford News, online, 10.12.2018).
Angesichts der leichten Verfügbarkeit und wachsenden Verbreitung von Gentests für zuhause sehen die Autoren ernste Gefahren. Es sei für die Gesundheit von Menschen höchst relevant, auf welche Art und Weise sie genetische Risikoinformationen erhalten.
Experten kritisieren darüber hinaus, dass die Hersteller sich direkt an Patienten wenden und dabei den behandelnden Arzt umgehen. Abgesehen davon, dass die Qualität der Tests fraglich sei, gehöre es zum Geschäftsmodell mancher Firmen, nicht bloß am Test zu verdienen, sondern an den Daten, die Dritten zur Verfügung gestellt werden (vgl. Kurier, online, 17.12.2018).
Der Weltmarkt für selbstständige Gentests wird Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2022 auf ein Volumen von gut 18 Milliarden Dollar anwachsen (vgl. Augsburger Allgemeine, online, 2.3.2018). Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline übernahm erst kürzlich für 300 Millionen Dollar einen Anteil an der kalifornischen Gentest-Firma 23andMe, um seine eigene Forschung wieder auf Trab bringen. Mit dem Deal sicherte sich Glaxo den exklusiven Zugang zu der riesigen DNA-Datenbank des von Google unterstützen Unternehmens (vgl. Handelsblatt, online, 25.7.2018). 23andMe, das 2006 u. a. von Anne Wojcicki gegründet wurde, ist privat und finanziell eng mit Google verflochten. Wojcicki war von 2007 bis 2015 mit Google-Mitbegründer Sergey Brin verheiratet.