Einem japanischen Forscherteam ist es erstmals gelungen, Körperzellen von erwachsenen Mäusen in Eizellen umzuwandeln und daraus mittels künstlicher Befruchtung Nachwuchs zu zeugen. Bislang gelang die Rückprogrammierung von erwachsenen Körperzellen in eine Keimbahnzelle nur, wenn die sogenannten „Vorläuferzellen“ (IPS-Zellen) direkt in den Eierstock einer Frau übertragen und durch die „natürliche Umgebung“ zur Umprogrammierung stimuliert wurden. Nun gelang es dem Forscherteam um Katsuhiko Hayashi von der Kyushu-Universität in Fukuoka erstmals, funktionsfähige Eizellen komplett außerhalb eines Körpers aus Stammzellen zu züchten - alle Prozesse von der Hautzelle bis zur Geschlechtszelle fanden im Reagenzglas statt (vgl. Nature (2016) doi:10.1038/nature20104).
Falls dies auch beim Menschen gelingen sollte, könnten in Zukunft auch zwei Männer eigene genetische Kinder bekommen oder ältere Frauen nach der Menopause. Statt auf Eizellen anderer Frauen zwecks künstlicher Befruchtung zurückzugreifen, würden sie sich genetisch eigene Eizellen im Labor anfertigen lassen, so die Vision (vgl. Die Zeit, online, 17.10.2016). Etliche Stammzellforscher sprechen schon jetzt von einem Durchbruch (vgl. taz, online, 18.10.2016). Laut Thomas Zwaka von der Mount-Sinai-Klinik in New York stünden wir knapp davor, die komplette Kontrolle über unsere Keimbahn zu bekommen.
Hayashi selbst ist zurückhaltend: Bis die Methode für Menschen ausgereift sei, könnten 10 oder sogar 50 Jahre vergehen (Nature 500, 392-394 (22 August 2013) doi:10.1038/500392a). Der Stammzellbiologe Jacob Hanna vom Weizmann Institute of Science in Rehovot/Israel, ein bekennender LGBT-Aktivist, will sich auf die Herstellung menschlicher Eizellen in Hinblick auf homosexuelle Paare spezialisieren, die genetisch eigene Kinder haben wollen (vgl. Nature 538, 301 (20 October 2016) doi:10.1038/nature.2016.20817).
Das Verfahren war tatsächlich ineffizient selbst bei Mäusen, deren Zellen sich für solche Experimente besonders gut eignen. Mehr als 3.000 Eizellen versuchten die Forscher herzustellen, davon entwickelten sich 316 Embryonen. Bei 96,5 Prozent traten so gravierende genetische Fehler auf, dass sie nicht lebensfähig waren. Am Ende blieben nur 11 lebens- und fortpflanzungsfähige Mäuse übrig. Man müsste also unzählige menschliche Embryonen herstellen, um das Verfahren überhaupt zu etablieren. Und ob daraus wirklich gesunde Babys entstehen würden, ist mehr als fraglich (vgl. NZZ, online, 18.10.2016).
In Nature erklärt Stammzellpionier Azim Surani von der Universität Cambridge, die Ethikdebatte über eine solche Technologie müsse schon jetzt beginnen. „Es ist der richtige Zeitpunkt, die breite Öffentlichkeit in diese Diskussionen einzubinden, lange bevor dieser Prozess bei Menschen möglich wird“, sagt Surani.
„Die Palette wird immer breiter: vom Druck zur Legalisierung der Leihmutterschaft in Europa über die Forderung nach einer künstlichen Gebärmutter bis zur Kinderwunscherfüllung via Zeugung aus Körperzellen im Labor: Wir erleben heute die inhumanen Folgen, wenn die Weitergabe des Lebens von Sexualität entkoppelt und in einen anonymen Produktionsvorgang verwandelt wird“, analysiert Susanne Kummer, IMABE-Geschäftsführerin. „Das Machbare hat hier die Grenze des Vernünftigen überschritten.“
Sie kritisiert die geplante Neudefinition von Unfruchtbarkeit durch die WHO (vgl. Telegraph, online, 20.10.2016): Menschen sollen demnach auch dann als unfruchtbar gelten, wenn sie einfach keinen geeigneten Sexualpartner gefunden haben, also Singles oder auch homosexuelle Männer mit Kinderwunsch. Diese Personen seien laut WHO „behindert“, ihnen stünde das Recht auf künstliche Befruchtung zu. Bislang galt laut WHO ein Paar dann als unfruchtbar, wenn es trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs nach 12 Monaten zu keiner Schwangerschaft kam.
„Es ist höchst fragwürdig, wenn die WHO nun offenbar international Druck auf die Nationalstaaten ausüben will, Eizellspende und Leihmutterschaft zu legalisieren und die Kosten für künstliche Befruchtung zu übernehmen“, kritisiert Kummer. „Ungewollte Kinderlosigkeit ist für Paare ein schweres Leid. Doch Single zu sein ist keine Behinderung. Soll jetzt die Medizin Lebenswünsche verwirklichen, Sehnsüchte erfüllen und soziale Probleme lösen? Das Kind wird hier immer mehr zu einer Art Therapeutikum für unerfüllte Selbstverwirklichung und Lebensplanung, auch bei Gesunden“, betont die Ethikerin.