Während in westlichen Nationen die „reproduktiven Rechte“ der Frau - sie reichen vom „Recht“ auf Abtreibung eines Kindes bis zum „Recht“, mit allen Mitteln zu einem Kind zu kommen - als Fortschritt der „Menschenrechte“ propagiert wird, ist von den Kehrseiten dieser Entwicklung kaum die Rede.
„Am Beispiel Indien zeigt sich deutlich, wie Leihmutterschaft sich zu einer neuen Spielart kolonialistischer Ausbeutung entwickelt“, kritisiert Susanne Kummer, stv. Geschäftsführerin von IMABE. Leihmutterschaft ist in Indien seit 2002 erlaubt und hat sich dort zu einem eigenen Industriezweig entwickelt. Die Indische Industriellenvereinigung CII geht in dieser Sparte für 2012 von einem Umsatz in der Höhe von 2,3 Milliarden Doller (rund 1,5 Milliarden Euro) aus (vgl. The Guardian, online 6.12.2011).
Ein Blick hinter die Kulissen zeige die Tragik der Situation: Frauen stellen ihren Körper als lebenden Brutkasten gegen Bezahlung zur Verfügung, weil sie ihrer eigenen Familie aus der Armutsfalle helfen wollen: Zwar kostet die Leihmutterschaft in Indien nur ein Zehntel im Vergleich zu westlichen Anbietern, für die Frauen entspricht der „Lohn“ in der Höhe von 6.500 bis 7.500 Dollar aber mehreren Jahresgehältern. Kaum bekannt ist, dass die Leihmütter während der Zeit der Schwangerschaft in eigenen Unterkünften leben. Die oft winzigen, ärmlichen Wohnungen liegen meist nur wenige Minuten von den beauftragten Fruchtbarkeitskliniken entfernt, dafür bekommen die Frauen täglich genug zu essen, regelmäßige Medikation - und eine Putzfrau macht sauber, berichtet Times of India (online 12.12.2011). Ein Blick in die Erste lesbisch-schwul-bi-sexuell-transgender freundliche Klinik mit Namen Rotunda, die sich im Internet als www.iwannagetpregnant.com vermarktet und in der Nähe des berühmten Siddhivinayaj-Tempels in Mumbai liegt, zeigt: Die meisten Frauen kommen aus verzweifelter Geldnot. Sie haben kein eigenes Einkommen, die Ehemänner sind entweder arbeitslos oder haben sich von ihnen getrennt bzw. fehlt es an Geld für die Mitgift der Tochter usw.
Auf Druck von NGOs hatte die indische Regierung im Jahr 2010 Regelungen zur Leihmutterschaft erlassen: Nach dem neuen Gesetz werden Frauen nur noch fünf Lebendgeburten zugestanden, die eigenen Kinder eingerechnet, und sie dürfen als Leihmütter nicht älter als 35 Jahre sein. Eine Frau darf außerdem maximal sechsmal Eizellen spenden.
„Von Freiwilligkeit zu sprechen, wenn Frauen sich wie in den überwiegenden Fällen aus Armutsgründen als Leihmütter zur Verfügung stellen, ist ein Hohn. Die Bedingungen, unter denen mehrere Leihmütter in kleinen, neben dem Spital angemieteten Behausungen während der Schwangerschaft quasi gehalten werden, sind menschenunwürdig, ebenso wie die Tatsache, dass hier westliche Paare Kinder wie eine Ware zu Dumpingpreisen bestellen“, kritisiert Kummer. Leihmutterschaft ist in Österreich im sog. Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG) verboten - und das ist gut so, betont die Ethikerin. Am Beispiel Indiens zeige sich deutlich, dass am Argument, man müsse im eigenen Land alles erlauben, um so den „Fortpflanzungstourismus“ zu verhindern, wenig Substanz ist: „Diesen Tourismus wird man nie verhindern können: Amerikanische und kanadische Paare geben Kinder in Indien in Auftrag, nicht weil es im eigenen Land verboten ist. Es ist viel simpler: Es kostet einfach viel weniger.“
Ein ausführliches Interview mit Susanne Kummer, stv. Geschäftsführerin von IMABE, zu diesem Thema mit Radio Vatikan können Sie hier hören.