Die Forschung an menschlichen Embryonen ist in Deutschland explizit durch das Embryonenschutzgesetz verboten, denn: Jede Forschung am Embryo bedeutete zugleich dessen Vernichtung. Das sollte nun geändert werden, befindet einen Gruppe von Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem nun veröffentlichen Diskussionspapier (Ethische und rechtliche Beurteilung des genome editing in der Forschung an humanen Zellen, März 2017). Für „hochrangige Forschungsziele“ sollten sog. „frühe Embryonen“, die „keine faktischen Entwicklungschance“ hätten, im Zuge der Forschung auch vernichtet werden dürfen, schreiben die Autoren, unter ihnen der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Genforscher Ernst-Ludwig Winnacker, der Mannheimer Jurist Jochen Taupitz, der Heidelberger evangelische Theologe Klaus Tanner und die Münsteraner Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert.
De facto zielt das Papier darauf, dass sogenannte „überzählige“ Embryonen für die Forschung freigegeben werden. Gemeint sind all jene Embryonen, die im Zuge des Verfahrens der künstlichen Befruchtung hergestellt und danach eingefroren wurden, dann aber für keine weitere IVF-Versuche benötigt wurden.
„Bis heute ist die Herstellung sog. 'übriggebliebenen' Embryonen eine grobe Verletzung der Menschenwürde und ein ethisches Problem, das weder durch Embryonen-Adoption noch durch eine nachträglich Verzweckung der Embryonen für Forschungsvorhaben gerechtfertigt werden kann“, hält dazu die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer fest. Durch die Techniken der Reproduktionsmedizin würden, so Kummer, „inhärente Widersprüche“ entstehen, die „ethisch nicht mehr sinnvoll aufzulösen sind“. Bis heute geht das Erzeugen eines Kindes im Reagenzglas zugleich mit dem Vernichten von anderen menschlichen Embryonen einher. „Das führt auch vielfach bei Frauen nach IVF zu seelischen Problemen. Eine Mutter formulierte es nach der Geburt ihres IVF-Kindes so: Wenn mein Kind weint, höre ich alle anderen Kinder mitweinen!“
Dass nun auch in den USA eine Debatte über die Aufhebung der 14-Tage-Regelung geführt werde - wonach der Embryo nur bis zum 14. Tag für Forschungszwecke verbraucht werden darf -, sei absehbar gewesen, meint die Ethikerin. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Harvard forderte kürzlich die komplette Freigabe der Embryonenforschung, wie der Scientific American (online, 21.3.2017) berichtet. „Die innere Logik willkürlich gesetzter Grenzen ist klar. Wer einen Embryo bis zum 14. Tag sozusagen zunächst für vogelfrei erklärt und zerstört, aber Embryonen dann ab dem 14. Tag als schützenswert deklariert, der kann mit derselben Willkür diese Grenze auch verschieben“, hält die Bioethikerin fest. Aus philosophisch-ethischer Sicht seien derartige Willkürgrenzen nicht vertretbar, so Kummer. Es mache für den moralischen Status des Embryos keinen Unterschied, ob er 4, 14 oder 40 Tage alt ist: „Der Embryo wird ja nicht erst zum Menschen, sondern er entwickelt sich als Mensch. In Österreich dürfen Embryonen nur im Zuge der künstlichen Befruchtung erzeugt und auch nur für die künstliche Befruchtung eingesetzt werden. Daraus ergibt sich ein umfassendes Forschungsverbot an Embryonen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Hubert Hüppe kritisiert in einer Aussendung das Pathos, mit der die Gruppe der Leopoldina mit teils „phantastischen Heilungsphantasien“ eine Legalisierung der verbrauchenden Forschung an menschlichen Embryonen fordert, etwa wenn sie von „völlig neuen Behandlungsmöglichkeiten genetischer Erkrankungen“ spricht. Vor einigen Jahren habe man den Staat unter den Vorzeichen einer „Ethik des Heilens“ zur Legalisierung von Embryonenverbrauch geradezu ethisch verpflichten wollen. Inzwischen sei es jedoch, so Hüppe, „völlig ruhig um embryonale Stammzellen geworden, mit ihnen geheilte Patienten sind bisher nicht in Erscheinung getreten“. Das Verbot der verbrauchenden Embryonenforschung habe sich im deutschen Recht bewährt und werde von keiner ernst zu nehmenden politischen Kraft in Frage gestellt.