Der Nuffield Council on Bioethics, der als britisches Bioethik-Institut die Regierung berät, befürwortet genetische Eingriffe in der menschlichen Keimbahn. In der 205-seitigen Stellungnahme zu Genome Editing bei Embryonen, kommen die acht Autoren zu dem Schluss, dass es „moralisch zulässig“ sei, das Erbgut von Embryonen genetisch zu manipulieren, vorausgesetzt, dass „das Verfahren sicher“ sei. In Großbritannien wird bereits seit Jahrzehnten die Forschung an Embryonen (bei der diese vernichtet werden) erlaubt, zuletzt gab es auch grünes Licht für genetische Drei-Eltern-Kinder. Die Veränderung der DNA in der Keimbahn ist noch - wie in vielen anderen Ländern - verboten.
„Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die britische Aufweichung zur genetischen Manipulation von Embryonen fast zur selben Zeit veröffentlicht wurde, als der EuGH für den Eingriff in das Erbgut von Pflanzen strengere Regeln aufstellte“, kommentiert die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer die Debatte rund um das Genome Editing. Das Anliegen, Krankheiten zu heilen, hält Kummer für positiv und legitim. Allein: Heilsversprechen, wonach man in Zukunft Erbkrankheiten für immer austilgen, vielleicht sogar so etwas wie einen krankheitsresistenten Menschen schaffen oder sein Baby nach Maß verbessern kann, machen offenbar für ethische Argumente blind, kritisiert die Geschäftsführerin des Wissenschaftsinstituts IMABE. Der Bericht des Nuffield Council on Bioethics räumt ein, dass eine Zulassung des Verfahrens soziale Spaltungen und Ungleichheit verstärken könne. Das Konzept der Menschenwürde halten die Autoren für obsolet.
Sollte es der britische Bioethik-Rat damit wirklich ernst meinen, dass die Methode sicher sein soll, bevor sie am Menschen angewendet wird, dann würde dies ethisch konsequent eigentlich einen sofortigen Stopp der Versuche an menschlichen Embryonen bedeuten, so Kummer. „Menschliche Embryonen sind ja kein Heilmittel oder Forschungsgut, das man verwenden oder vernichten darf, um möglicherweise einmal Krankheiten anderer Menschen zu heilen. Selbst ein noch so guter Zweck heiligt nicht die Mittel.“
Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Karen Yueng von der Universität Birmingham sieht dies anders. Es gebe keinen plausiblen Grund, warum die Veränderung des Genoms moralisch inakzeptabel oder prinzipiell auszuschließen sei. Die potentielle Heilung von Krankheiten überwiege. Immerhin räumt sie aber ein, dass die Folgen für die Gesellschaft „umfangreich, tiefgreifend und langfristig“ seien (vgl. BBC, online, 17.7.2018). Eine Veränderung der Keimbahn bedeutet, dass diese Manipulation auch an zukünftige Generationen vererbt wird. Dass es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann, hat erst kürzlich eine in Nature Biotechnology (2018; doi:10.1038/Nbt.4192) veröffentlichte Studie gezeigt. Das inzwischen beliebteste Instrument zur Genombearbeitung, CRISPR-Cas9, kann der DNA offenbar mehr Schaden zufügen als bisher angenommen. Das Verfahren des Genome Editing repariert zwar fehlerhafte Gene, stört aber zugleich gesunde Gene, wodurch andere Krankheiten ausgelöst werden können. Diese sog. Off-Target-Effekte sind ein bereits seit längerem bekanntes Problem.
Zwar hat der Nuffield Council on Bioethics bloß beratende Funktion, in zahlreichen Fällen mündeten seine Empfehlungen in Großbritannien jedoch schließlich in Gesetze. Das könnte auch die Debatte auf internationaler Ebene neu anheizen. Auch in Deutschland hatte die Deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina gefordert, den Embryonenschutz für „höhere Forschungszwecke“, zu denen sie das Genome Editing zählt, aufzuheben (vgl. Bioethik aktuell, 3.4.2017). Der Nuffield-Bericht schließt keine spezifischen Verwendungen von Genome Editing aus und hält dazu nur vage fest, dass jede Anwendung, um ethisch zu sein, zwei Prinzipien zu folgen habe: Sie müsse Interesse des Kindes und ohne schädliche Auswirkungen für die Gesellschaft zu sein.
Scharfe Kritik am Nuffield Council on Bioethics übte David King, Direktor des Human Genetics Alert. Er hält die Empfehlung für eine „absolute Schande“ (vgl. BBC, online, 17.7.2018). Der Nuffield Council hätte „nicht einmal die Absicht gezeigt“, ein „klares Nein zu Designer-Babys“ auszusprechen, so King. So meint etwa Jackie Leach Scully von der Newcastle University und Co-Autorin des Berichts, dass der Eingriff ins Genom des zukünftigen Kindes „eine Option für Eltern“ sei, selbst abzusichern, „was sie für den besten Start ins Leben“ halten (vgl. The Guardian, online, 17.7.2018). King zeigt sich empört: „Die Briten haben vor 15 Jahren entschieden, dass sie keine gentechnisch veränderten Lebensmittel wollen. Sollen wir jetzt genetisch veränderte Babys wollen?“
„Die Gesellschaft ist vorsichtig, wenn es um Keimbahnveränderungen bei Pflanzen und Tieren geht. Umso mehr sollte sie es sein, wenn es um Menschen geht, die weder Saatgut noch Zuchttiere sind. Die Menschenwürde jedes einzelnen ist prinzipiell zu achten, egal in welcher Lebensphase. Das muss der ethische Stachel gegenüber einer primär utilitaristischen Zugangsweise bleiben“, betont Ethikerin Kummer.