Der Staat hat keine Schutzpflicht, seine Bürger beim Suizid zu unterstützen. Das stellte der frühere deutsche Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio in einem Rechtsgutachten klar (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 15.1.2018).
In einem umstrittenen Urteil hatten zuvor die Richter des deutschen Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig im März 2017 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angewiesen, in „extremen Ausnahmefällen“ unheilbar kranken Patienten ein Präparat zur Selbsttötung zur Verfügung zu stellen, und rekurrierten dabei auf das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen (vgl. Bioethik aktuell, 6.3.2017). Anlass war die Klage eines Mannes, der im Jahr 2004 eine tödliche Arzneidosis für seine kranke Frau, die Suizid begehen wollte, nicht erhalten hatte. Inzwischen sind mehr als 80 weitere Anfragen eingetroffen. Die Behörde händigt das Präparat trotz des umstrittenen Urteils allerdings weiterhin nicht aus.
Auch der Deutsche Ethikrat hatte das Leipziger Urteil scharf kritisiert und erklärt, das Bundesverwaltungsgericht versuche nun, eine staatliche Instanz zur Beihilfe zur Selbsttötung zu verpflichten. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz forderte die Bundesregierung auf, dringend zu klären, ob staatliche Stellen Sterbewilligen tatsächlich den Zugang zu den notwendigen Mitteln ermöglichen müssen: „Es kann nicht sein, dass Verwaltungsbeamte über die Vergabe von Tötungsmitteln an Suizidwillige entscheiden“, betont Stiftungsvorstand Eugen Brysch.
In dem nun vorliegenden 119-seitigen Gutachten legt Di Fabio dar, warum eine Mitwirkung des Staates an Selbsttötungen „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ sei. Aus dem personalen Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen könne kein absoluter Geltungsanspruch abgeleitet werden. Die Frage, wie sich Staat und Gesellschaft zum Sterbewunsch von Menschen stellen, betreffe die sittlich-kulturelle Identität einer freien Gesellschaft, zitiert die FAZ den Verfassungsexperten (online, 16.1.2018). Der Staat müsse sehr vorsichtig sein mit der „Idee einer Erlösung von den Leiden durch den willentlich herbeigeführten Tod“. Das von den Klägern vorgebrachte und von den Verwaltungsrichtern bestätigte Selbstbestimmungsrecht sei nicht absolut, sondern immer in sozialen Kontexten zu beurteilen. Daher müssen immer Umfeld und Folgen berücksichtigt werden, die mit der Durchsetzung einhergehen. Durch eine institutionalisierte Vorgehensweise könne einer Normalisierung der Selbsttötung Vorschub geleistet werden, befürchtet Di Fabio. Menschenwürde und Gemeinwohl seien miteinander verbunden.