Haben Kinder, die von anonymen Samenspendern abstammen, ein Recht darauf zu wissen, wer ihr genetischer Vater ist? Diese Debatte ist in Australien neu aufgeflammt. Anlass ist der Fall Narelle Grech, eine 30-jährige Frau, die an einem unheilbaren, genetisch bedingten Darmkrebs erkrankt ist und das Recht einklagt, den Namen ihres biologischen Vaters zu erfahren. Nach zweijährigen Beratungen kam die beauftragte Prüfkommission des Bundesstaat Victoria zu dem Schluss, dass alle Datensätze von Samenzellspendern und Eizellspenderinnen für Tausende Kinder bzw. Erwachsene zugänglich gemacht werden sollen. Doch das Parlament bremst nun und fordert weitere sechs Monate Bedenkzeit - für Grech ein unverantwortlicher Schritt: Ihr werde nun im Endstadium ihrer Krankheit diese Information vorenthalten. Sie weiß von acht Halbgeschwistern, die ebenfalls vom selben Spender stammen und möglicherweise auch Träger der Krankheit sind. „Sie können nicht gewarnt werden. Wer ist dafür verantwortlich?“ fragt Grech gegenüber ABC-News (online 15.10.2012).
Im australischen Bundesstaat Victoria haben Fremdsamenspender-Kinder derzeit kein Recht auf Informationen über ihren biologischen Vater, wenn sie vor dem 1. Juli 1988 empfangen wurden.
In Österreich ist die anonyme Samenspende verboten, die namentliche Spende mit Insemination in vivo jedoch zugelassen. Nach §20 des FMedG haben Kinder ab dem 14. Lebensjahr Recht auf Einsicht in die Daten des „dritten Elternteils“. Dies hängt allerdings davon ab, ob die Erzieher das Kind über die Insemination der Mutter mit Fremdsamen aufklären, betonen Kinderrechtsschutzorganisationen. Eizellenspende und Samenspende in vitro sind in Österreich verboten.
Weltweit spricht sich eine wachsende Zahl von inzwischen erwachsenen Personen gegen die Art und Weise aus, wie sie ins Leben gerufen worden sind. Viele von ihnen fühlen sich als „genetische Waisenkinder. Bei dem Versuch, die eigenen Verwandtschaftsbeziehungen herauszufinden, geraten etliche in eine Identitätskrise (vgl. Bioethik aktuell, 17.5.2010 Fremdsamenspenderkinder auf der Suche nach ihrer Identität).
Phänomene wie der blühende Eizellspenden-Handel, der inzwischen auch von Frauen an Frauen in den Industrienationen geht, die dann das Kind aber von indischen Leihmüttern austragen lassen (vgl. ABC-News, 23.10.2012) oder die kürzlich durchgeführte Erzeugung menschlicher Embryonen aus dem Erbgut dreier Erwachsener (vgl. Spiegel, online 15.10.2012) werfen enorme ethische Probleme auf. Die IVF-Verfahren bringen immer seltsamere Formen von Verwandtschaftsbeziehungen hervor.
Ein Beispiel der Gegenwehr von Betroffenen ist das The Anonymous Us Project. Gegründet wurde das Forum 2011 in den USA von Alana S. Newman, die selbst Kind eines anonymen Samenspenders ist. Newman sieht eine Lücke in der öffentlichen Wahrnehmung assistierter Reproduktionsmedizin: Kritische Sichtweisen der betroffenen Kinder, aber auch Erfahrungen von Samenspendern, Leihmüttern, Eizellspenderinnen, Ärzten oder Verwandten würden kaum publiziert. Das Forum möchte die Möglichkeit bieten, die Komplexität der Probleme künstlich assistierter Reproduktion aus Sicht der Betroffenen transparenter zu machen.