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Ethik in der Schönheitsmedizin

Univ.-Prof. Dr. Hildegunde Piza-Katzer, Mag. Susanne Kummer
Stand: Jänner 2008 (aktualisiert Juni 2019)

Der Wunsch nach einem idealen Körper oder aber ein starker Leidensdruck bringen zahlreiche gesunde Menschen dazu, sich als Klienten einem Plastischen oder „Schönheits“-Chirurgen anzuvertrauen. Diese aktuellen Entwicklungen werfen medizinische, ethische, soziale und ökonomische Fragen auf. Es ist zu prüfen, unter welchen Vorzeichen ästhetisch-chirurgische Eingriffe erlaubt, angezeigt und unter welchen Bedingungen sie ethisch abzulehnen sind. Dem Plastischen Chirurgen kommt eine eminent wichtige Rolle bei der Aufgabe zu, den Menschen unserer Gesellschaft zu helfen, in ihrer Beziehung zum eigenen Körper jene Ausgewogenheit wieder zu finden, die der Würde des Menschen als Körper-Seele-Einheit entspricht.

Wir beobachten heute, dass der „freizeit- und konsumorientierte“ Körper nicht nur eine Mode ist, sondern auch zunehmend wichtig für das „Überleben“ in der heutigen Gesellschaft wird. Gutes Aussehen sichert die Karriere und die Sympathien, nicht nur bei Schauspielern. Längst finden sich Kosmetikerinnen, die an sich Brustvergrößerungen vornehmen lassen, weil sie das „für den Beruf brauchen“ oder Berufstätige aus der Tourismusbranche, die immer erholt, gestrafft und jung aussehen müssen, um so selbst die Botschaft des eigenen Unternehmens zu verkörpern. Körperveränderungen werden also nicht nur akzeptiert, sie sind ausschlaggebend, um die eigene Arbeitsleistung gewinnbringend zu vermarkten. Die Kluft zwischen individueller Körperzufriedenheit und Lebensqualität einerseits, sowie gesellschaftlich diktierter Körpernormen und Wertvorstellungen andererseits wird immer größer. In der Praxis führt dies, insbesondere bei Frauen, zu einer großen Verunsicherung gegenüber der eigenen Körperlichkeit. Bezeichnend ist, dass das vielfältige Angebot die Nachfrage schürt. Die Bereitschaft wächst, sich „etwas machen zu lassen“. In Österreich unterziehen sich laut Schätzungen der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie (ÖGPÄRC) jedes Jahr rund 50.000 Menschen einer Schönheitsoperation (Stand 2015)  – Tendenz steigend. In Deutschland stieg die Zahl der ästhetisch-chirurgischen Eingriffe von 2017 auf 2018 um neun Prozent auf 77.485, so die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen laut einer Ärztebefragung (VDÄPC). Solide Statistiken fehlen jedoch.

Das Problem ist nicht die Einschätzung, dass Schönheit ein Wert ist. Das Problem ist, dass sie zum Wert schlechthin stilisiert wurde, für den zu opfern man bereit ist und an dem zu verdienen man interessiert ist. Die Glücksverheißungen, die mit gutem Aussehen, Gesundheit und Schönheit verbunden werden, fallen offenbar in einer Konsumkultur zunehmend auf fruchtbaren Boden. Welches Ideal von Schönheit als Garant für Anerkennung und Wohlfühlen fungiert, diktiert der Markt, transportiert via Unterhaltungsmedien. Die Anzahl junger Menschen, die sich dazu verführen lässt, ihre Schönheitsvorstellungen an Schönheitsmodelle aus der Konserve anzupassen, steigt – ein Phänomen, das zu denken gibt und ein besorgniserregendes Zeichen der Manipulierbarkeit des heutigen Menschen darstellt. Die Industrie profitiert von der Fetischierung eines Ideal-Körpers: Der perfekte Körper ist nämlich unerreichbar. Und gerade die Unerreichbarkeit garantiert immer neuen Konsum.

Im Jahr 2018 war Brasilien erstmals das Land mit den meisten Schönheitsoperationen weltweit. Mit rund 1,5 Millionen ästhetisch-plastischen Eingriffen haben sich die Südamerikaner knapp vor den US-Amerikanern mit 1,49 Millionen Schönheitsoperationen an die Spitze des Rankings gesetzt. Laut der International Society of Plastic Surgery (ISAPS) entfallen damit auf die beiden Länder beinahe ein Drittel aller weltweit vorgenommenen plastisch-chirurgischen Eingriffe. Den dritten Platz belegt Mexiko mit gut einer halben Millionen OPs.

In Österreich ist seit 1.1. 2013 für unter 16-Jährige die Durchführung von Eingriffen ohne medizinische Indikation aufgrund der damit verbundenen Gefahren für den noch im Wachstum begriffenen Körper verboten. Schönheitsoperationen dürfen bei 16- bis 18-Jährigen nur durchgeführt werden, wenn vorher eine psychologische Beratung erfolgte.

85 Prozent aller Eingriffe weltweit werden bei Frauen vorgenommen. Zu den häufigsten Eingriffen gehören mit Abstand Brustvergrößerungen und Fettabsaugungen, gefolgt von Lidoperationen, Hautstraffungen, Brustlifting und Gesichts- (Facelift). Dass jeder Arzt ästhetische Eingriffe durchführen kann bzw. bei weitem nicht alle diese Eingriffe von ausgebildeten Fachärzten für Plastische Chirurgie angeboten bzw. angepriesen werden, ist ein weiteres Problem. Viele wollen am boomenden Markt mitnaschen und sehen die steigende Schönheitsindustrie vor allem als eines: als schnelles Geschäft.

Treffen die Kunden für ästhetische Operationen eine freie, selbstbestimmte Entscheidung oder werden sie zu diesen „freien Entscheidungen“ durch gesellschaftliche Normen, die sie internalisieren, gezwungen? Menschen empfinden sich, eine bestimmte Körperpartie, als hässlich, unattraktiv, weil ihr eigener Körper nicht dem vorherrschenden Körperideal entspricht. Hinter dem Wunschdenken steht vermehrt ein realer, subjektiver Leidensdruck, den der Chirurg als Arzt ernst zu nehmen hat. Die Frage ist, den Kern des Problems gemeinsam mit dem Klienten/Patienten aufzudecken. Denn die Verheißung, mit der nicht wenige kommen, lautet: Der Körper ist das Medium, das man verändert, wodurch man sich schließlich selbst und damit auch die Haltung der Umgebung zu einem selbst verändern wird. Dahinter steht nicht selten der Druck, sich (vor allem) über den Körper Anerkennung, Wertschätzung, Geliebt-Sein erkaufen zu müssen. Das schürt enorme Hoffnungen: durch „Körperarbeit“ und „Körpertuning“ die Idealvorstellung erreichen. Doch die Hoffnung, dass allein ein Eingriff mit dem Skalpell das Leben verändert, bleibt Utopie.

Angesichts zahlreicher Untersuchungen kann der Einfluss der Medien nicht hoch genug eingeschätzt werden. Je öfter sich etwa potentielle Patienten, Reality-TV-Shows ansehen, in denen es um schönheitschirurgische Eingriffe ging, desto häufiger landen sie tatsächlich bei einem Plastischen Chirurgen, mit teils unrealistischen Erwartungen.

Während der Patient, der einen Allgemeinchirurgen aufsucht, im Allgemeinen hofft, zu hören, dass keine Operation notwendig ist, will der Klient, der zum „Schönheitschirurgen“ geht, hören, dass er operiert werden kann, damit sein Aussehen verbessert wird. Das Ziel besteht darin, mit einem operativen Eingriff eine Verbesserung seines Selbstwertgefühls innerhalb seines sozialen Umfeldes zu erreichen und an Lebensqualität zu gewinnen. Gewinnt er durch solch einen Eingriff an Lebensqualität, ist der Eingriff als sinnvoll zu bezeichnen. Entscheidend ist es, sich im ärztlichen Gespräch über die Motive des Patienten im Klaren zu werden und jene Personen herauszufiltern, in denen ein psychopathologisches Problem vorliegt. In diesen Fällen ist eine Operation eine Ersatzhandlung. Der Patient wird bei einem noch so guten Operationsergebnis unzufrieden sein. Insbesondere Patienten mit einer körperdysmorphen Störung oder Schizophrenie müssen unbedingt identifiziert werden.

In der ästhetischen Chirurgie gehört heute die Brustvergrößerung neben der Fettabsaugung zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen. Diese Operationen sind keineswegs risikolos. Plastische Chirurgen sind aufgefordert, vor dem Eingriff die Motive der Frauen zu klären und ihnen gegebenenfalls eine psychotherapeutische Behandlung zu empfehlen. Wer die Praxis kennt, weiß, wie schwierig so ein Schritt zu erreichen ist, da die Patienten im allgemeinen davon überzeugt sind, dass ein physisches Problem vorliegt, kein psychisches.

Die ästhetischen Eingriffe werden meist als harmlose und einfache Eingriffe angepriesen. Am Beginn jeder Behandlung sollte ein detailliertes Beratungsgespräch ohne Zeitdruck und in einem möglichst großen Abstand zum Eingriff stehen. Menschen, die einen ästhetischen Eingriff an sich durchführen lassen möchten, sollten sehr realistisch aufgeklärt werden. Man sollte auf die physischen und emotionalen Strapazen eines derartigen Eingriffs hinweisen. Hier ist vor allem bei jungen Frauen größte Wahrhaftigkeit bei der Aufklärung von Seiten des behandelnden Arztes zu fordern, da mit heutigem Wissen z. B. jedes zu große eingebrachte Brustimplantat bei jugendlichen Frauen diese zu Dauerpatientinnen macht. Unvollständige Informationen, emotionale Manipulation, Halbwahrheiten, bewusste Fehldarstellungen, vor allem aber die Durchführung ästhetischer Eingriffe durch unqualifizierte Ärzte müssen als unprofessionell, unehrlich und unethisch betrachtet werden. Bei der präoperativen Aufklärung eines Patienten, der sich einem ästhetischen Eingriff unterziehen möchte, muss auch darauf hingewiesen werden, dass das erzielte Resultat mit der Zeit verschwinden wird. Aus diesem Grund ist es unethisch, einem Patienten den ästhetischen Eingriff so früh wie möglich zu empfehlen, weil er dadurch Gefahr läuft, zu einem sogenannten „Plastoholic“ zu werden.

Jede Operation ist mit einem Risiko verbunden, und sei es nur das Risiko, dass sie nicht gelingt. Das gilt natürlich auch für ästhetisch-chirurgische Eingriffe. Sie sollten in Spitälern oder Kliniken, die auch entsprechend technisch ausgestattet sind und über hoch qualifiziert ausgebildetes Personal verfügen, vorgenommen werden. Es wäre unethisch, den Patienten nicht über diese Risiken aufzuklären und ihm nur zu sagen, dass dieser Eingriff einfach in der Ordination durchgeführt werden kann. Fachleute stellen mit Sorge fest, dass immer öfters mehrere Eingriffe bei einer Operation durchgeführt werden, meist mit dem Anreiz eines verbilligten Kombi-Angebotes. Bei der Untersuchung des Patienten sind sein Lebensumfeld und seine Lebensgewohnheiten in den Blick zu bekommen. Kein Patient hört es gern, dass er weniger essen soll, statt sich sein Fett vom Chirurgen (oder Allgemeinmediziner) absaugen zu lassen.

Bei diesen ärztlichen Tätigkeiten und vor allem Operationen, deren Ziel es ist, den menschlichen Körper zu verändern, können natürlich Komplikationen auftreten, über die im Detail aufgeklärt werden muss. Diese selbst gewählten Eingriffe werden von den „Klienten“ selbst bezahlt. Bei schweren Komplikationen allerdings werden Krankenhäuser mit öffentlichem Recht aufgesucht und dort die durch die Komplikationen zu Patienten mutierten Kunden behandelt, wodurch etwa in Österreich das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem belastet wird. Nur Deutschland hat auf diese Entwicklung reagiert: Für die Belastungen des Gesundheitssystems, die durch eventuelle Folgebehandlungen nach Komplikationen entstehen, kommen dort Krankenkassen seit der Gesundheitsreform 2006 nur noch beschränkt auf.

Die Wiederherstellungschirurgie – d. h. die rekonstruktive Chirurgie, die Handchirurgie und die Verbrennungschirurgie –, wirft als operative Disziplin, die jene durch Unfall oder Krankheit sichtbar verunstaltete Regionen wiederherstellt, vom ethischen Standpunkt keine besonderen Fragen auf. Es gehört zum medizinischen Heilungsziel, nicht nur die Funktion, sondern auch das meist mit ihr zusammenhängende zerstörte äußere Erscheinungsbild wiederherzustellen. Darin hat von Anfang an das Ethos des ärztlichen Berufes die ureigentliche Aufgabe der Medizin gesehen.

Ganz anders stellt sich die Frage der ethischen Beurteilung jener Eingriffe der ästhetischen Chirurgie, die das Ziel haben, das Erscheinungsbild von an sich gesunden Menschen zu verändern.

Vom medizinisch ethischen Standpunkt aus gilt prinzipiell, dass jeder invasive Eingriff, also auch jener in der ästhetischen Chirurgie, rechtfertigungsbedürftig ist. Der Wunsch des Patienten allein genügt aus ethischer Perspektive nicht. Ein Arzt würde nämlich ethisch unzulässig und rechtlich strafbar handeln, wenn er einen kontraindizierten chirurgischen Eingriff vornimmt, nur weil der Patient es so wünscht. Im Zeitalter der Patientenautonomie kann der Patient sein Selbstbestimmungsrecht auf sinnlose, nicht aber auf kontraindizierte Handlungen geltend machen. Sinnwidrige Handlungen (kontraindiziert) kann ein Patient nicht durchsetzen, ohne den Arzt dafür strafbar zu machen. Man sieht an diesem Punkt, dass mit dem Entstehen und der Entfaltung der wunscherfüllenden Medizin, der die „Schönheitschirurgie“ zuzuordnen ist, auch die Kluft zwischen Ethik und Recht immer größer wird. Denn in dieser neuen Sparte der Medizin ist die Spannung zwischen Kommerz und Patientenfreundlichkeit besonders groß. Die Grenze zwischen gesetzlich erlaubten, ethisch aber unzulässigen, kontraindizierten chirurgischen Behandlungen, wird unschärfer.

Bei der ethischen Beurteilung eines Wunsches nach einem ästhetisch-chirurgischen Eingriff zur Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes, muss auf die Motivation und Absicht dieses Wunsches Bedacht genommen werden, zuallererst also auf den psychischen Zustand des Patienten. Es wird die Aufgabe des ästhetischen Chirurgen sein, zu beurteilen, ob er es mit einem psychisch gesunden oder einem psychisch instabilen Patienten zu tun hat, wobei auch da die Grenzen nicht immer eindeutig festzustellen sind.

1. Im Falle des psychisch gesunden Menschen, der eine Verbesserung seines Äußeren wünscht, muss einfach eine Risiko-Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt werden, die über Angemessenheit und Zweckmäßigkeit des Eingriffes Auskunft gibt. Natürlich ist die Beurteilung der Verbesserung immer eine subjektive Frage. Wenn der Patient psychisch gesund und der Mangel nicht so störend ist, wird meistens auf den Eingriff zu verzichten sein. Der Druck des Umfeldes kann aber manchmal sehr groß sein, so dass es de facto zur echten psychischen Belastung kommt, nicht aber zur Krankheit. Diese Fremdbestimmung durch internalisierte Schönheitsstandards und soziokulturelle Normierungen muss auch bei der Beurteilung des Wunsches berücksichtigt werden.

2. Im Falle des psychisch belasteten Patienten muss zwischen zwei Fällen unterschieden werden:

a) Der Patient/die Patientin leidet psychisch als Folge einer ganz bestimmten, objektiv kleinen oder größeren Abnormität, z. B. ein Kind mit abstehenden Ohren, das von seinen Mitschülern immer wieder ausgelacht wird. Die psychische Belastung ist Folge des physischen Mangels. Hier müssten die Intensität der psychisch subjektiven Belastung, der Objektivitätsgrad des Mangels, die Wirksamkeit einer Psychotherapie als Alternative zum Eingriff und die Risiko-Kosten-Nutzen-Balance berücksichtigt werden. Ein Eingriff kann sehr wohl gerechtfertigt sein.

b) Das psychische Leiden des Patienten/der Patientin ist nicht Folge, sondern Ursache des physischen Mangels, z. B. im Fall der Magersucht oder eines sexuellen Missbrauchs. In der psychiatrischen Literatur sind diese Fälle als körperdysmorphe Störung bekannt, d. h. als grundsätzliche Unzufriedenheit mit der eigenen körperlichen Identität: In solchen Fällen braucht der Patient eine psychiatrische Behandlung. Der chirurgische Eingriff würde letztlich wenig bringen, die Störung würde weiter bestehen.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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