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Drogen

Mag. Monika Feuchtner, Mag. Susanne Kummer Stand: August 2019

Laut dem UN-Drogenbericht von 2019 greifen weltweit 271 Millionen Menschen zu Drogen wie Cannabis, Kokain, Opium oder zu synthetischen Substanzen. Zwischen 2009 und 2017 ist die Zahl der Drogennutzer damit um 30 Prozent gestiegen, 5,5 Prozent der Weltbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren hätten 2017 Drogen genommen, berichtet das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). Mehr als eine halbe Million Menschen weltweit seien wegen ihres Drogenkonsums und damit zusammenhängender Krankheiten gestorben, allein in den USA sterben jährlich 70.000 Menschen an einer Überdosis Drogen („Opioidkrise“).

Die von schätzungsweise 188 Millionen Menschen am häufigsten genutzte Droge bleibt Cannabis. Die Zahl der Drogensüchtigen, die eine medizinische Behandlung brauchen, ist weltweit seit dem letzten Bericht deutlich von rund 30 auf 35 Millionen gestiegen.

Als Droge werden in der Medizin psychoaktive Substanzen bezeichnet, die beim Konsumenten aufgrund einer direkten Einwirkung auf das Zentralnervensystem eine Bewusstseinsänderung hervorrufen, Sie können bei Zuführung einen als mangelhaft empfundenen Zustand mindern oder zum Verschwinden bringen, oder einen subjektiv als angenehm empfundenen Zustand herbeiführen. Psychoaktive Substanzen werden nach dem Gesetz in legale oder illegale unterteilt sowie umgangssprachlich in sog. ‚harte‘ oder ‚weiche‘ Drogen. Laut WHO zählen folgende Substanzen dazu: Cannabis, Kokain, Opiate, Halluzinogene, Tabak, Schmerzmittel, Stimulanzien, Schlaf- und Beruhigungsmittel, aber auch Alltagsdrogen wie z. B. Alkohol, Kaffee und Tee. In Österreich gelten Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Drogenausgangsstoffe als Suchtmittel („illegale Drogen“). Der Umgang mit diesen (Erwerb, Besitz, Erzeugung, Beförderung, Ein- und Ausfuhr, Anbieten, Überlassung und Verschaffung sowie der Anbau diverser Pflanzen) ist eingeschränkt. Die Einschränkungen sind im Suchtmittelgesetz (SMG) sowie in den dazu ergangenen Durchführungsverordnungen geregelt.

Suchtgifte

sind die in der Suchtgiftverordnung aufgelisteten Stoffe (einschließlich Zubereitungen), die aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung und dem damit verbundenen Missbrauchs- und Gesundheitsrisiko auf Basis internationaler Klassifizierung den strengsten Kontrollmaßnahmen unterliegen. Zu dieser Gruppe zählen u.°a. Cannabisprodukte (Marihuana, Haschisch, Tetrahydrocannabinol etc.), Rohopium und Opiate (Opium, Heroin, Morphin, Codein, Methadon etc.), Kokablätter und Kokain, Amphetamin sowie Designerdrogen wie z. B. Ecstasy oder diverse Halluzinogene.

Psychotrope Stoffe

sind psychoaktive Substanzen, die Veränderungen der Psyche bewirken. Sie sind in der Psychotropenverordnung (PV) aufgelistet und unterliegen auf Basis einschlägiger internationaler Klassifizierung bestimmten Beschränkungen in Bezug auf ihre Verwendung. Zu den psychotropen Stoffen gehören insbesondere die Gruppe der Benzodiazepine, die wegen ihrer angstlösenden, beruhigenden, schlaffördernden und muskelentspannenden Wirkung in der Medizin breite Anwendung finden.

Drogenausgangsstoffe

sind Substanzen, die in der Chemieindustrie und der Medikamentenerzeugung benötigt werden, aber auch zur illegalen Drogenerzeugung verwendet werden können. Für diese Gruppe gelten daher spezifische Überwachungs- und Kontrollvorschriften. Zu den Drogenausgangsstoffen zählen u. a. Safrol, Ephedrin, Essigsäureanhydrid, Salzsäure, Schwefelsäure und Aceton.

Neue psychoaktive Substanzen (NPS)

Seit einigen Jahren drängen hunderte neue psychoaktive Substanzen (NPS), darunter vor allem synthetische Cannabinoide, auf den Markt. 2013 gab es laut UNODC erstmals mehr NPS, bekannt als Designerdrogen, Legal Highs oder Research Chemicals, als „traditionelle“ illegale Rauschmittel. Seit 2012 ist in Österreich das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NPSG) in Kraft. Es verbietet das Geschäftemachen mit synthetisch hergestellten Substanzen, die nicht der Drogengesetzgebung unterliegen, aber darauf ausgerichtet sind, im Körper eine drogenartige Wirkung zu erzielen.

Das Gesetz soll Produktion und Handel treffen, die aus Profitinteresse auf „legale“ Chemikalien mit psychoaktivem Wirkpotenzial zurückgreifen, um die internationale Suchtmittelkontrolle und Drogengesetzgebung zu umgehen und so Sanktionen zu entkommen.

2. Die Wirkung von Drogen

Drogen verändern Strukturen oder Funktionen im lebenden Organismus, wobei sich diese Veränderungen insbesondere in den Sinnesempfindungen, in der Stimmungslage, im Bewusstsein oder in anderen psychischen Bereichen bemerkbar machen. LSD und in einem geringeren Maße auch die Cannabisprodukte Haschisch und Marihuana haben halluzinogene Wirkungen. Heroin und Morphin wirken stark dämpfend bis euphorisierend; Kokain sowie Amphetamin wirken aufputschend, ebenso Ecstasy und diverse Designerdrogen, die zudem auch halluzinogene Wirkungen haben.

Aufgrund der Vielschichtigkeit der Drogenwirkungen auf Körper und Psyche kommt es auch zu verschiedenen körperlichen und psychischen Reaktionen. Dazu zählen Schädigungen des Gehirns (und damit Einschränkung der Wahrnehmung, der Lernfähigkeit und Aufmerksamkeit), Schädigung der Atemwege, des Immunsystems, des Hormonsystems; im psychischen Bereich kommt es zu Depressionen Apathie, Interesselosigkeit, Angstzuständen und Verfolgungswahn.

Sucht: Abhängigkeit von Drogen

Eine Sucht entwickelt sich immer im Spannungsfeld von Wirkung und Verfügbarkeit der Droge, Anlagefaktoren (Genetik, Persönlichkeit, Psyche) und Umwelteinflüssen (Familie, Gesellschaft, Peer Group, Freunde, Lebenssituation, Life Events, Stress).

Neurobiologisch wirken Rauschdrogen über das sog. dopaminerge Belohnungssystem, das schon 1954 von Olds und Milner am Tiermodell charakterisiert wurde. Das dopaminerge Belohnungssystem wird heute als „hedonistisches“ System verstanden. Die Ausschüttung von Dopamin wird in diesen Hirnarealen zum Teil mit Euphorie und Glücksgefühlen, vor allem aber auch mit der Erwartung von Belohnungen assoziiert, d. h. es wird nicht allein durch eine  Substanzzufuhr aktiviert (wie am Beginn einer Suchtentwicklung). Vielmehr führt bereits die Erwartung einer Substanzaufnahme (Belohnung) zur Aktivierung dieses neuronalen Systems.

Die wiederholte und dauernde Anwendung einer Droge führt zu einer stabilen Anpassung, die ihre Wirkungen ausgleicht und dem Organismus eine regelmäßige Funktion ermöglicht. Dadurch wirkt die Droge im Laufe der Zeit nur noch bei steigender Dosierung. Wenn die Dosis ausbleibt, kommt es zur sog. Abstinenzkrise („Entzug“), zumal die Physiologie des Körpers durch die Droge „moduliert“ worden ist. Die erreichte Anpassung ist ohne Droge „überschießend“ und fordert daher eine neue Dosis. Es kommt zur Abhängigkeit.

a) Die psychische Abhängigkeit äußert sich in einem massiven Verlangen nach ständiger oder episodischer Zufuhr eines Suchtstoffes („Gier“). Sie kann sich langsam (z. B. bei Beruhigungsmitteln und Alkohol) oder relativ schnell (z. B. bei Kokain, Opiaten, morphinhaltigen Schmerzmitteln) entwickeln. Ein häufiges Phänomen der psychischen Abhängigkeit ist das Auftreten von mehr oder minder schweren Depressionen und Suizidgedanken beim Absetzen der Droge (insbesondere bei Kokain und bei den Amphetaminen, z. T. auch bei Ecstasy).

Je schneller die Substanz zum Gehirn gelangt, desto größer ist die Euphorie und umso wahrscheinlicher ist eine Abhängigkeit.

Berichten zufolge kann der Konsum von Kokain, intranasal eingenommen, in einigen Fällen bis zu drei Jahre mehr oder minder kontrollierbar bleiben, während Kokain, geraucht, im Regelfall schon nach wenigen Monaten abhängig macht. Intravenöser Drogenkonsum ist meistens die schnellste süchtigmachende Methode. Drogenkonsumenten steigen im Regelfall erst nach einiger Zeit auf intravenöse Anwendung um.

b) Die physische Abhängigkeit ist durch Entzugserscheinungen (Abstinenzsymptome) nach Absetzen oder auch nur Dosisreduktion charakterisiert. Es handelt sich bei den Entzugserscheinungen hauptsächlich um   Gliederschmerzen, Krämpfe, Schüttelfrost, etc. Die Entzugserscheinungen verschwinden nach erneuter Dosierung aus der gleichen (oder ähnlichen) Suchtstoffklasse. Die physische Abhängigkeit ist zu erwarten bei Opioiden (als Rauschdrogen oder Schmerzmittel), Barbituraten (früher häufig gebraucht als Schlafmittel), barbituratähnlichen Substanzen und Benzodiazepinen (Beruhigungsmittel, Schlafmittel, die ein im Vergleich zu den Barbituraten geringeres Suchtpotential aufweisen). Das Ausmaß der Entzugserscheinungen hängt von der Droge, der Höhe der Dosis und der Dauer der Exposition ab. Selbst kleine Dosen, ausreichend lang eingenommen, können körperlich abhängig machen.

Prävention, Therapie und Rehabilitation der verschiedenen Suchtformen haben je nach persönlichen und institutionellen Faktoren spezielle Schwerpunkte. Das gemeinsame Konzept schließt folgende Schritte ein:

  1. Therapievorbereitung (meist ambulant) mit dem Ziel der Beratung, Motivation, Diagnose, Vorbereitung auf die Behandlung etc.
  2. Entgiftungsbehandlung (stationär) mit dem Ziel der körperlichen Entgiftung, Diagnose und Therapie somatischer Begleiterscheinungen, erste psychotherapeutische Maßnahmen.
  3. Entwöhnungsbehandlung (meist stationär) mit dem Ziel der Therapie psychischer Störungen, Rückfallvorsorge und dem Aufbau von Alternativen in wichtigen Lebensbereichen.
  4. Nachsorgebehandlung (ambulant, teilweise stationär) mit dem Ziel der Krisenbewältigung im Alltag, evtl. Weiterbehandlung.

Einmal süchtig – immer süchtig?

Ob ein Süchtiger bei Abstinenz „geheilt“ ist oder nicht, wird auch von Betroffenen durchaus kontrovers diskutiert. Die anonymen Alkoholiker sehen sich in ihrem Selbstverständnis meist als lebenslang betroffen, andere Patienten fühlen sich geheilt, auch wenn sie um die eigene Rückfallgefährdung wissen. Die Erfahrung aus langjähriger Suchtforschung und vor allem Therapie zeigt: Sucht verlernt man nicht, die Wirkung von Rauschdrogen bleibt im Gehirn gespeichert, das sog. Suchtgedächtnis ist durch suchtspezifische oder assoziierte Reize immer wieder aktivierbar.

Sucht ist aber kein unentrinnbares Schicksal. Sowohl die Gründe für den Substanzkonsum als auch der Umgang mit Suchtmitteln können therapeutisch bearbeitet werden. Es gelingt umso besser, je früher die Behandlung beginnt und je offener der gesellschaftliche Rahmen dafür ist. Rein konfrontative Therapien oder ablehnende Haltung von Ärzten haben sich als kontraproduktiv erwiesen. Ein empathisches Herangehen an den Suchterkrankten stellt anerkanntermaßen die Basis der Therapie dar. Man muss den Suchtkranken als Patienten sehen und die zugrundeliegende Störung nicht als Charakterschwäche, Sündenfall oder unent-rinnbares Schicksal. Erst dann eröffnen sich auch Ausstiegsmöglichkeiten.

Zur sittlichen Beurteilung des Drogenkonsums muss das Integritätsprinzip herangezogen werden, demzufolge der Mensch nicht ohne ausreichenden Grund zeitweilig, nachhaltig oder endgültig eine körperliche oder geistige Funktion, die von seiner Natur her zur Erhaltung vorgesehen ist (z. B. Betäubung, Verstümmelung), beeinträchtigen darf. Das Totalitätsprinzip bietet aber einen Ausgleich dazu, d. h. es liefert einen Grund, um das Integritätsprinzip außer Kraft zu setzen: Der Mensch darf einen Teil schädigen, wenn er dadurch die Ganzheit (Totalität) rettet; so kann manchmal die Entfernung lebensbedrohend infizierter Organe zur Lebensrettung ethisch statthaft sein. Ebenso ist es natürlich erlaubt, Drogen als Schmerzmittel bei einer schweren Erkrankung einzunehmen, wenn diese unerträglich wird. Die Einnahme von Drogensubstanzen mit dem Zweck der Linderung von schweren Schmerzen führt in der Regel nicht zur Abhängigkeit.

Daher ist festzuhalten:

  1. Drogenkonsum ist immer eine Art der Selbstzerstörung und ein Aufgeben der menschlichen Würde.
  2. Selbstzerstörung und Aufgeben seiner Würde beeinträchtigen nicht nur das körperliche und seelische Wohlergehen, sondern engen den Menschen in seiner Fähigkeit zu Gemeinschaft und Hingabe ein. Indem der Mensch beginnt, Drogen zu nehmen, beginnt ein Zerstörungsprozess des Familienlebens (Missbrauch des Vertrauens, Entfremdung, Diebstahl, Schande, psychische Belastung etc.). Die Zersetzung der Familie wirkt sich unweigerlich auf ihr gesellschaftliches Umfeld aus.
  3. Die Drogenproblematik darf nicht auf eine individualethische Problematik reduziert bleiben. Manchmal werden Menschen durch die Brutalität der Gesellschaft an den Rand gedrängt und schlittern in den Drogenkonsum als Flucht oder Trost. Es ist nicht damit getan, Drogenkonsum zu verbieten und die Drogenproduktion einzudämmen. Vielmehr soll das Drogenphänomen auch dazu führen, dass die Gesellschaft über die sozialen Ursachen der Entstehung des Phänomens nachdenkt und Konsequenzen zieht.

Die erste österreichische Suchtpräventionsstrategie aus dem Jahr 2015 verfolgt einen breit gefächerten Ansatz und bezieht legale und illegale Suchtmittel sowie substanzungebundenes Suchtverhalten ein. Die Säulen der Suchtpolitik sind Prävention, Therapie, gesellschaftliche Inklusion und Schadensminderung. Anfang 2016 traten Änderungen des Suchtmittelgesetzes in Kraft. Das Prinzip „Therapie statt Strafe“ wurde erweitert, d. h. bei persönlichem Gebrauch erfolgt statt einer Strafanzeige eine Meldung an die Gesundheitsbehörde zur Abklärung, ob gesundheitsbezogene Maßnahmen notwendig sind. Nur bei mangelnder Kooperation wird die Justiz befasst. Weiters wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, den Drogenhandel effektiver zu bekämpfen: Es gibt nun den Straftatbestand des Handels mit Suchtgift im öffentlichen Raum, der eine Festnahme und die Verhängung von Untersuchungshaft ermöglicht. Das Delikt kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.

Trotz aller internationalen, regionalen und nationalen Strategien floriert der weltweite Drogenhandel, und die Zahl der Konsumenten illegaler Substanzen steigt. Der Kampf gegen den Anbau, die Produktion, den Handel und den Konsum von illegalen Substanzen ist jedoch nach wie vor notwendig. Auch wenn Drogenpolitik mitunter einem Kampf gegen Windmühlen gleichkommt, müssen die Bestrebungen konsequent fortgesetzt werden. Die internationale Staatengemeinschaft muss versuchen, den  drogenpolitischen Rahmen-bedingungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Parallel zu einer effizienten Drogenpolitik müssen auch begleitende gesundheitspolitische Maßnahmen weitergeführt oder neu gesetzt werden. Diesbezüglich scheinen besonders zwei Zielsetzungen zentral: die Information Jugendlicher und ihrer Eltern über die Gefahren von Drogen und die Verbesserung des Therapiezugangs für Bedürftige. Theresa Moore und ihre Kollegen von der University of Bristol plädierten bereits im Jahr 2007 in Lancet für ein Maßnahmenpaket, um der Verharmlosung von Cannabis entgegenzuwirken und für die Gefahr psychotischer Erkrankungen aufgrund von Hanfkonsum zu sensibilisieren. Sie mahnen: „Regierungen würden gut daran tun, in nachhaltige und effektive Aufklärungskampagnen bezüglich der Gesundheitsrisiken durch Cannabiskonsum zu investieren.“

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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