Der Schwangerschaftsabbruch in Österreich
Gudrun Lang
Stand: März 2000 (aktualisiert März 2019)
1. Abgrenzung am Beginn der Schwangerschaft: rechtsfreier Raum - Abtreibung
Unter der Verhinderung der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle versteht man Empfängnisverhütung. Sobald diese Verschmelzung jedoch stattfindet, entsteht eigenes Leben, das aufgrund seiner Herkunft von zwei Menschen, in logischer Folge nur menschliches sein kann.1 Die Vernichtung des Lebens eines Menschen in seiner allfrühestens Phase bezeichnet man als (Früh-)Abtreibung.
Strafrechtlich relevant ist dies in Österreich aber erst ab dem Moment der Nidation des Embryos. Erst darunter versteht das StGB nämlich den Beginn der Schwangerschaft. Der Embryo, der auf dem Weg durch den Eileiter in die Gebärmutter bis zu neun Tage braucht, bewegt sich in dieser Zeit also nicht nur im einnistungs- sondern auch im rechtsfreien Raum. Hormonelle Präparate oder andere Mittel - wie etwa die Spirale, die die Einnistung des Keimlings in die Gebärmutter verhindern - können eine frühabtreibende Wirkung haben (vgl. IMABE-Info 1/2004). Dies ist in Österreich aber rechtlich irrelevant.
Einen andersgearteten Angriff auf den noch nicht eingenisteten Embryo stellt § 17 des Fortpflanzungsmedizingesetzes dar: Dort ist ein Vernichtungsgebot für die bei der In-Vitro-Fertilisation ‚übriggebliebene Embryonen’ normiert.2 Auch hier fällt die Vernichtung jüngsten menschlichen Lebens nicht unter Abtreibung.
Mifepriston (Abtreibungspille Mifegyne3) darf bis zum Ende der 9. Schwangerschaftswoche zum Zweck eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs verabreicht werden. Ihre Anwendung verwirklicht §§ 96 ff, hier wird also auch rechtlich von Abtreibung gesprochen.
Das Schutzobjekt des § 75 StGB (Mord) ist das menschliche Leben vom Beginn der Eröffnungswehen bis zum Hirntod.4 Ein ungeborenes Kind kommt erst durch den Beginn der Eröffnungswehen in den Genuss des strafrechtlichen Schutzes. Tötung des ungeborenen Kindes nach der ersten Wehe der Mutter ist auch strafrechtlich gesehen Mord.5 Handelt es sich um einen Kaiserschnitt, ist der Operationsbeginn (die Körperöffnung) dem Beginn der Eröffnungswehen gleichzuhalten.6 Diese ‚österreichische’ Grenze lässt Methoden wie die Teilgeburtsabtreibung (Partial Birth Abortion, sehr umstritten in den USA) nicht zu: Dabei wird ein nur teilweise geborenes Kind durch Stich ins Gehirn straffrei getötet.
§ 97 Abs 1, Z.1 normiert die sogenannte Fristenregelung, die die Straffreiheit des Eingriffes an folgende Bedingungen knüpft: 7 Der Abbruch muss:
- innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft
Da die Schwangerschaft juristisch erst mit der Nidation (ca. 9. Tag) beginnt, und Monate mit jeweils 30 Tagen berechnet werden, bedeuten die im Gesetz angeführten drei Monate, dass das ungeborene Kind 14 Wochen alt sein kann, womit die letzte Regelblutung 16 Wochen zurückliegt.
- nach vorhergehender ärztlicher Beratung
Weil eine Beratung explizit erwähnt ist, reicht die allgemeine ärztliche Beratung über Art und mögliche Folgen des Eingriffs nicht aus. Um die Straffreiheit zu genießen, müssen sowohl die Entwicklung des Ungeborenen als auch die Folgen des Eingriffs für dasselbe erläutert werden, ebenso seine Schmerzempfindlichkeit und mögliche Abwehrreaktionen. Eine Ausrichtung der Beratung (zum Beispiel die Schwangere von der Abtreibung abzuhalten) ist genauso wenig vorgesehen wie eine Beratung über finanzielle oder andere Hilfen. Der beratende Arzt darf die Abtreibung selbst vornehmen; eine verpflichtende Bedenkzeit ist nicht vorgesehen.
- und von einem Arzt vorgenommen werden.
Was für ein Arzt das sein muss, wird nicht festgelegt. Theoretisch könnte auch ein Zahnarzt straffreie Abtreibungen vornehmen.
Die Indikationenregelung ist in § 97 Abs 1, Z.2 und 3 normiert und kennt im Gegensatz zur Fristenregelung keine Frist (rechtlich dürfen diese Abtreibungen bis zum Einsatz der Wehen vorgenommen werden), stattdessen ist sie an einen ‚Grund’, eine Indikation, gebunden. 8
Das Gesetz kennt drei verschiedene Indikationen:
- Medizinische Indikation
a) ‚Wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist.’ (Z.2, erster Fall)
Die Abtreibung muss die einzige Möglichkeit sein, der Schadenseintritt muss sehr nahe liegen und der befürchtete Schaden mindestens den Grad des § 84 erreichen, d.h. länger als 24tägige Gesundheitsschädigung bzw. Berufsunfähigkeit oder eine an sich schwere Körperverletzung (z.B. ein Äquivalent zum Verlust von zwei Vorderzähnen) verursachen.
b) Vitale Indikation (Z.3)
Die Abtreibung muss nicht von einem Arzt vorgenommen werden, wenn diese zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr notwendig ist, und ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist.
- Eugenische Indikation
‚Wenn eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde.’ (Z.2, zweiter Fall)
Die Schädigung muss sehr nahe liegen, dauernd und nicht behebbar sein. Die Anforderung an die Stärke der Behinderung steigt mit zunehmender Geburtsnähe, genauso wie die Wahrscheinlichkeit der Behinderung: Während zu Beginn des vierten Monats eine Wahrscheinlichkeit von 30 % ausreichen könnte, müsste es zu einem späteren Zeitpunkt viel mehr sein. Weder die Wahrscheinlichkeit noch die Stärke der Behinderung sind aber genau aus dem Gesetz zu entnehmen. Die Indikation greift bis zur Geburt, die Ärzte beschränken aber die Frist im Normalfall auf die 23. Schwangerschaftswoche.
- Indikation der Unmündigkeit
‚Wenn die Schwangere zur Zeit der Empfängnis unmündig gewesen ist, d.h. unter 14 Jahren alt war.’ (Z.2, dritter Fall)
In jedem Fall außer der vitalen Indikation muss die Abtreibung von einem Arzt vorgenommen werden, die spezielle Beratungspflicht der Fristenregelung entfällt für die Indikationen.
Verbesserungsvorschläge9 dürfen hier keinesfalls als Affirmation der bestehenden gesetzlichen Lage verstanden werden. Da die derzeitige gesellschaftliche und politische Situation eine grundsätzliche Änderung des Abtreibungsgesetzes nicht erlaubt, sind vorübergehende Verbesserungen für die Betroffenen und auch als Zeichen einer grundsätzlichen Änderungsnotwendigkeit wünschenswert. Von den vielen Veränderungsvorschlägen scheinen besonders die folgenden einer Betrachtung würdig :
1) Entwurf einer Novellierung der Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch
Im April 1999 entwarfen renommierte Juristen einen Gesetzesvorschlag zur Novellierung der Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch, der auf breiter Basis unterstützt wird. Er ist den einschlägigen Ausschüssen im Nationalrat seit Mai/Juni 1999 bekannt.
Die Einleitung der Begründung zeigt sehr deutlich die Intention und Motivation:
„Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass alles Menschenmögliche getan werden sollte, um Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Information und Beratung sowie gezielte, auf die jeweils besondere Situation schwangerer Frauen abgestellte Hilfestellung sind daher besonders wichtig - vor allem in einem Rechtssystem, das den Schwangerschaftsabbruch in bestimmten Konstellationen straffrei stellt.
Gerade im Hinblick auf Information, Beratung und individuelle Hilfestellung besteht jedoch ein Defizit, das mit Hilfe der vorgeschlagenen Maßnahmen abgebaut werden könnte:
Um gezielt informieren zu können, müssten die Verantwortlichen sowohl über Kenntnis der Umstände und Motive für geplante und durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche, wie auch über typischerweise gegebene personelle und soziale Konstellationen (etwa im Hinblick auf die soziale Situation und das Alter der Schwangeren und das Alter des Embryos) verfügen. Unterlagen und Statistiken darüber fehlen jedoch nahezu zur Gänze. Ein zweites Problem liegt darin, dass die Wirkung der vom Gesetz als Voraussetzung für die Straffreiheit verlangten Beratung häufig darunter leidet, dass die Beratung durch den abtreibenden Arzt selbst durchgeführt werden kann und eine die persönliche und soziale Situation der Schwangeren berücksichtigende Beratung überhaupt nicht verpflichtend vorgesehen ist.”
Dieser Entwurf beinhaltet:
- Trennung von beratendem und abtreibendem Arzt
Dadurch soll eine objektive Beratung gewährleistet und zugleich auch sichergestellt werden, dass die konstitutiven Elemente einer Beratung, wie die Entwicklung des Ungeborenen, Art und Wirkung des Eingriffs und eventuelle Folgen für die Mutter (Post Abortion Syndrome) auch darin enthalten sind.
Ein weiterer Grund für eine Trennung besteht in der Erschwerung einer möglichen „Geschäftemacherei“.
Der Ernst der Angelegenheit verlangt nach umsichtiger Behandlung. Auch bei der Organentnahme an Verstorbenen ist der Todeseintritt durch zwei (von dem das Organ entnehmenden Arzt) verschiedene Ärzte festzustellen.
- Einführung einer verpflichtenden persönlich-sozialen Beratung
Eine unerwartete Schwangerschaft kann eine Belastung und sogar ein Schock für die Frau bedeuten. Die persönlich-soziale Beratung soll Frauen von der Enge des Schocks in die Weite der Handlungsmöglichkeiten führen und ihnen Einblick in die Wirklichkeit geben, dass es auch um das Leben des Kindes geht. Die Beratung soll die Anwaltschaft über dieses Leben darstellen.
Im Normalfall ist ein Arzt nicht ausreichend über Möglichkeiten materieller Natur (z.B. finanzielle Unterstützung, Wohnung, Arbeit) informiert. Außerdem fehlt oft die psychologische Ausbildung für ein Beratungsgespräch und die notwendige Zeit, auf die Situation der Mutter befriedigend einzugehen. Es liegt also im Interesse der Mutter und ihres Kindes, eine ausführliche und konkrete Beratung in Anspruch zu nehmen. Somit kann eine wirklich freie Entscheidung gewährleistet werden.
- Dreitägige Bedenkzeit
Diese soll helfen, sowohl die Enge des Schocks und die Weite der Handlungsmöglichkeiten überdenken zu können als auch übereilte Handlungen, die später bereut werden könnten, zu vermeiden.
- Verpflichtende Beratung auch bei den Indikationen bis zur Geburt
Unverständlicherweise ist dieser Punkt im derzeitigen Gesetzestext nicht zu finden. Denn gerade für Mütter in besonders schwierigen Situationen (Behinderung des Kindes, Unmündigkeit oder Gefahr der Gesundheit für die Mutter selbst) ist eine umfassende Hilfe und Beratung von größter Wichtigkeit. Das Gesetz ist hier also dringend zu vervollständigen.
- Aufhebung der Indikation der Unmündigkeit10
Gerade bei jungen Mädchen kann eine Abtreibung gegen Ende der Schwangerschaft besonders traumatische Folgen haben. Der Entwurf will einerseits die Mädchen davor schützen, andererseits die österreichische Rechtsordnung von einer grausamen und unnötigen Regelung befreien.
Wegen dieser weltweit fast einzigartigen Regelung melden sich auch andere österreichische Juristen zu Wort: „Bei einem frei gewählten Geschlechtsverkehr (auch Unmündiger) ist sie (Anm.: diese Indikation) jedoch generell höchst problematisch. (...) In jedem Fall müsste sie auf den ersten Schwangerschaftsmonat beschränkt bleiben. Eine Erstreckung der Straflosigkeit noch auf die Tötung eines bereits lebensfähigen, gesunden Fötus im letzten Schwangerschaftsabschnitt ist mit Nachdruck abzulehnen.”11
- Statistiken und anonyme Motivforschung
Sie sollen zur gezielten Hilfeleistung verhelfen und einen konkreten Ansatzpunkt für die 1975 einstimmig angenommenen flankierenden Maßnahmen finden. Durch die Kenntnis von Zahlen und Motiven wird die Sache der Abtreibung objektiver diskutiert, aber auch „Harmonie“ in die Rechtsordnung gebracht werden können, die ansonsten für jede wichtige Angelegenheit eine statistische Vermerkung vorschreibt.
Der Gesetzesvorschlag muss so konzipiert sein, dass sich die Änderung systemgerecht in die bisherige Rechtslage einfügt und die Anonymität aller Betroffenen gewährleistet.
Die Parlamentarische Bürgerinitiative "Fakten helfen!" (2014/15) fordert den Nationalrat auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen für eine bundesweite, anonyme Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und deren jährliche Veröffentlichung sowie die regelmäßige wissenschaftliche und anonyme Erforschung der Motive für Schwangerschaftsabbrüche als Basis für Prävention und bedarfsgerechte Hilfen. Die Bürgerinitiative "Fakten helfen!" https://www.fakten-helfen.at/ erreichte fast 55.000 Unterschriften.
Dazu schreibt Schmoller: Die eugenische Indikation sei insofern „mit Nachdruck abzulehnen, als es jedenfalls zu weit geht, einen Abbruch in diesem Fall bis zur Geburt straflos zu lassen. Die allerspäteste Grenze der eugenischen Indikation muss die selbstständige Lebensfähigkeit des Fötus sein (...), jedoch ist auch diese Frist zu großzügig, wenn man bedenkt, dass ja lediglich die ernste Gefahr einer Schädigung verlangt wird, der Fötus also in Wahrheit auch völlig gesund sein kann.”12
Die Bürgerinitiative #fairändern (2018) https://fairändern.at/ tritt in sechs konkreten Forderungen für „mehr Fairness“ für schwangere Frauen, Familien und Kinder mit Behinderung ein. 61.000 Brügerinnen und Bürger haben die Petition unterzeichnet. Sie fordern ein umfassendes Hilfs- und Beratungspaket für schwangere Frau in Not sowie die Streichung der eugenische Indikation, da sie eine deutliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderung" und ein "unwürdiges Werturteil über ihr Lebensrecht" darstelle.
Die Streichung der eugenschichen Indikation muss Begleitmaßnahmen vorsehen, das sonst neue Probleme auftreten könnten: Die Schwangere würde dadurch unter die Fristenregelung fallen. Der Arzt müsste sie demnach schon vor der 14. Schwangerschaftswoche über eine eventuelle Behinderung des Kindes informieren und sie über die Möglichkeit einer Abtreibung aufklären. Verabsäumt er das, könnte er zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden.13 Um dem vorzubeugen, würde öfter vor vermeintlichen Behinderungen gewarnt werden, und demzufolge mehr (vermeintlich behinderte) Kinder abgetrieben werden. Der Gesetzgeber müsste also mit einer Änderung dieser Bestimmung auch die Haftung beschränken.
- Schutz für den (noch) nicht eingenisteten Embryo
Eine Schutzbestimmung für den noch nicht eingenisteten Embryo, der sich derzeit im rechtsfreien Raum bewegt, erscheint wünschenswert. Ebenso sollte das im § 17 des Fortpflanzungsmedizingesetzes normierte Vernichtungsgebot der bei der In-Virto-Fertilisation ‘übriggebliebenen’ Embryonen abgeändert werden.
- Schutzbestimmungen für „überlebende“ Kinder
Kommt im Rahmen einer Abtreibung das Kind lebend zur Welt, muss sichergestellt werden, dass es weder durch Tun noch durch Unterlassen getötet wird. Lebenserhaltende Maßnahmen gemäß dem Standards der neonatalen Intensivmedizin sollen getroffen werden.
- Verbot von Experimenten und Übungen an „freigegebenen“ Kindern
An lebenden, zur Abtreibung freigegebenen Kindern sollen weder Experimente vorgenommen noch ärztliche Übungen durchgeführt werden dürfen, die an „gewollten“ Kindern verboten sind. Die gegenwärtige rechtliche und praktische Situation in dieser Angelegenheit ist äußerst unbefriedigend.
- Verkürzung der Frist
Wie oben erwähnt erstreckt sich die Fristenregelung bis zur 14./16. Woche. Man könnte eine Einschränkung dieser Zeitspanne überlegen.
- Aufnahme eines Tatbestandes der fahrlässigen Abtreibung
Fahrlässige Abtreibung ist nicht strafbar. Hält ein Arzt das Nicht-Vorliegen einer Indikation oder ein die Frist überschreitendes Alter des Embryos für möglich und reagiert auf seinen Verdacht nur mit der Hoffnung, dies würde schon nicht so sein’, ist er, wenn sich sein Verdacht bestätigt, für den vollendeten Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar.
Dies müsste im Lichte der Gesetzeslage bei anderen Delikten sorgfältig überdacht werden.
- Schutz der Schwangeren vor Druck von außen14
Aufgrund des häufig vorkommenden Drängens, eine betroffene Frau zum Schwangerschaftsabbruch zu bewegen, könnte man die Einfügung eines solchen Straftatbestandes überlegen: „Wer auf eine schwangere Frau durch Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses einwirkt, um sie zu einem Schwangerschaftsabbruch zu bewegen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.”
- Einbeziehung des Vaters
Ein Mitspracherecht des Vaters könnte überlegt werden. Lediglich in Brasilien gibt es einen Entwurf, in dem der Vater in den Eingriff einwilligen muss. Andere Staaten kennen ein Anhörungsrecht des Vaters oder eine Unterrichtungspflicht der Mutter. Oftmals müssen Väter im Rahmen der Indikationenregelung über deren Vorliegen befragt werden, manchmal an Beratungsgesprächen teilnehmen. Eine völlige Ausklammerung des Vaters, wie sie das österreichische Recht vorsieht, scheint allerdings unbefriedigend.
- Thematisierung der Posttraumatischen Belastungsstörung nach Abtreibung
Die Posttraumatische Belastungsstörung, die seelischen und körperlichen Folgen nach einem Schwangerschaftsabbruch, werden in internationalen Studien bereits thematisiert, weitere Untersuchungen sind nötig. Weiters sollte diese Thematik in die Lehrpläne der einschlägigen Studienrichtungen aufgenommen werden, um eine fachgerechte Betreuung der betroffenen Frauen zu gewährleisten. So hat der deutsche Bundestag im Februar 2019 beschlossen, eine Studie zu psychischen Folgen nach Schwangerschaftsabbrüchen in Auftrag zu geben. Konkret geht es um die Förderung von „Forschungsvorhaben zu psychosozialer Situation und Unterstützungsbedarf von Frauen mit ungewollter Schwangerschaft“. Ziel ist, Erkenntnisse dazu zu gewinnen und den Stand des Wissens auszubauen. Die Projekte sollen voraussichtlich in der ersten Hälfte 2020 beginnen, die Laufzeit beträgt drei Jahre.
- Angemessene ‘Entsorgung’ der Embryonen und Föten
Überlegenswert wäre eine Überprüfung der abgetriebenen Körper, um eventuellen Missbrauch der Fristen- oder Indikationenregelung festzustellen (insbesondere in Verbindung mit der Aufnahme des fahrlässigen Schwangerschaftsabbruches in das StGB). Anschließend müsste deren weitere Verwendung kontrolliert und offengelegt werden. Wer kauft wie viel Liter jungen menschlichen Materials zu welchen Zwecken (medizinische/kosmetische Forschung, usw.)?
Für nicht zu ‚verwendende’ Ungeborene sollte eine angemessenere ‚Entsorgung’ überlegt werden: Zur Zeit werden sie als und mit Sondermüll verbrannt, ihre Asche in einer Deponie einzementiert.
- Erleichterung der Adoption
Eine generelle Erleichterung des Adoptionsvorganges sollte geprüft werden.
(Ergänzung: Im Jahr 2000 wurde sog. "Babynester" eingeführt. Frauen können ihr Kind anonym und unbeobachtet in ein Wärmebettchen ablegen Ein Baby in der Babyklappe abzugeben, ist nicht strafbar - im Gegensatz zum Aussetzen des Babys an einem Ort, wo es sogar sterben kann. Die Behörde übernimmt dann die Obsorge und bringt es bei Adoptiveltern unter. Seit dem Jahr 2001 besteht auch die Möglichkeite zu einer komplett anonymen Geburt im Krankenhaus. Nach der Geburt können die Frauen erneut entscheiden, ob sie bei der Anonymität bleiben wollen.)
- Bessere Rahmenbedingungen für Mütter und Familien
Diese müssen in allen Bereichen verbessert werden, um die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu vermindern. Dies wurde auch vom Nationalrat 1974 gemeinsam mit § 97 StGB beschlossen (,flankierende Maßnahmen’). Von den zahlreichen Reformmöglich- und Notwendigkeiten sei auf das Familienvolksbegehren vom 9. - 16. Sept. 99 verwiesen.15
- Bildung über die Würde des Menschen16
Das Schulorganisationsgesetz, das Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung, das Rundfunkgesetz und das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik könnten eine Aufgabe des jeweilig Zuständigen normieren, die Menschen zu Solidarität und Achtung gegenüber allen Mitmenschen zu erziehen, und sie insbesondere auch über den Eigenwert und die personale Würde der ungeborenen Kinder, der alten, kranken, behinderten und pflegebedürftigen Menschen aufzuklären.
Bewusstseinsbildung kann besonders in diesem Bereich viel Gutes bewirken.
Referenzen
- Zum Beginn des Lebens siehe: Imabe, Der Status des Embryos, Wien (1989)
- vgl. FMedRÄG 2015. §17
- Zur Mifegyne mehr in: IMABE-Info 1/99
- Lewisch, Strafrecht, BT I2 (1999) S. 5
- Eine Ausnahme dazu stellt § 79 StGB dar: Tötet die Mutter ihr Kind während des Geburtsvorganges oder unter Einwirkung desselben, ist sie gegenüber der Regelungen zum Mord privilegiert: Der Strafrahmen ist auf ein bis fünf Jahre herabgesetzt.
- Interessant ist hier die folgende Beobachtung: Will ein Arzt ein behindertes Kind kurz vor der Geburt durch Kaiserschnitt abtreiben, ist er gemäß § 97 StGB straffrei, eventuell sogar gerechtfertigt. Will er das Kind allerdings durch Kaiserschnitt zur Welt bringen und entdeckt er erst dann eine schwere Behinderung, droht ihm eine bis zu lebenslange Gefängnisstrafe, wenn er (wie im ersten Fall) das Kind dem Tod überlässt.
- Vgl. dazu: Schmoller, Triffterer, Kommentar zum StGB, § 97
- vgl dazu, FN 7
- Die hier genannten Vorschläge und Reformideen werden im Einzelnen oder Ganzen von zahlreichen Organisationen, Verbänden und Kirchen, namhaften Wissenschaftern, Politikern und Interessensvertretungen unterstützt.
- § 97 Abs 1 Z 2 Fall 3; vgl dazu oben 4.iii
- FN 7, RN 35
- FN 7, RN 32
- OGH-Teilurteil vom 25. März 1999 zum ,Familienschaden’
- Mayer-Maly T., in: Pro Vita 1/1998, S. 8
- Details unter www.familienbund.at
- Pro Vita 1/1998, S. 13