Wiederholt haben Experten vor eine Legalisierung von Cannabis gewarnt – vor allem aufgrund der Gesundheitsrisiken für Jugendliche (vgl. Bioethik aktuell, 15.1.2018). Nun bekommen ihre Warnungen Rückenwind. Die Ergebnisse der bisher größten Langzeitstudie zu diesem Thema wurden in JAMA Psychiatry (2021;78(9):1031-1040. doi:10.1001/jamapsychiatry.2021.1258) publiziert. Die US-Studie zeigt, dass bei Jugendlichen unter 25 Jahren der Cannabis-Konsum das Gehirn nachweislich negativ verändert – und zwar dauerhaft. Da das Gehirn bei jungen Menschen noch nicht vollständig ausgereift ist, ist der Konsum von Cannabis besonders gefährlich.
Das internationale Forschungsteam um Matthew Albaugh (University of Vermont Medical Center) untersuchte die Hirnstruktur der Probanden mittels MRT-Aufnahmen. Die 800 Studienteilnehmer waren zwischen 14 und 19 Jahre alt. Keiner hatte zu Beginn der Studie Kontakt mit Cannabis gehabt. Alle Hirnscans sahen ähnlich aus. Fünf Jahre später hatte sich das Bild stark verändert: Bei Jugendlichen, die Cannabis mehr oder weniger regelmäßig konsumieren, hat sich die Hirnrinde im Bereich des präfrontalen Kortex auffällig verdünnt. Der beobachtete Effekt war umso stärker, je mehr Cannabis die Jugendlichen nach eigenen Angaben zu sich genommen hatten, berichtet Medscape (28.6.2021).
Dies hatte auch Auswirkungen auf das Verhalten. In dieser Hirnregion befinden sich viele Andockstellen für Inhaltsstoffe aus Cannabis. Der präfrontale Kortex hilft dazu, Impulse zu kontrollieren, Probleme zu lösen und Handlungen zu planen. Die Jugendlichen mit Hirnveränderungen zeigten demnach auch in ihrem Verhalten gegenüber Gleichaltrigen, die keinen Kontakt zu Cannabis hatten, Unterschiede. Die 19-jährigen Cannabis-Konsumenten reagierten impulsiver und hatten größere Schwierigkeiten dabei, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, schreiben Albaugh und seine Kollegen.
„Frühere Studien hatten bereits darauf hingedeutet, dass der Gebrauch von Cannabinoiden insbesondere bei Adoleszenten möglicherweise zu anhaltenden kognitiven Beeinträchtigungen führt – die selbst dann weiter bestehen, wenn der Konsum beendet wird“, kommentiert der Psychiater Maximilian Gahr (UniKlinikum Ulm) die aktuelle Studie gegenüber Medscape (vgl. auch Standard, 4.8.2021). Sie bestätige dies und zeige darüber hinaus die wahrscheinliche Ursache der geistigen Veränderungen auf: eine Ausdünnung der Hirnrinde im präfrontalen Kortex.
„Dieser Bereich des Gehirns ist ganz wesentlich an kognitiven Fähigkeiten wie Impulskontrolle, Planen, Problemlösen, Priorisieren und Fokussieren beteiligt“, erläutert Gahr. Zugleich sei das Frontalhirn ein Bereich, dessen Entwicklung erst sehr spät abgeschlossen sei – bei Frauen mit Mitte 20, bei Männern vermutlich noch später. „Das ist möglicherweise der Grund, warum das Gehirn von Heranwachsenden so besonders empfindlich auf Drogen und andere Störungen von außen reagiert“, sagt der Psychiater.
Die Folgen eines längeren Cannabiskonsums seien laut Forschern für die Entwicklung des Gehirns fatal und manchmal irreversibel. Ärzte müssten daher grundsätzlich vor dem Konsum einer "vermeintlich so harmlose Freizeitdroge" warnen, so Gahr.