Unter den Briten, die in die Schweiz reisen, um die Sterbhilfeorganisation Dignitas zwecks Suizids in Anspruch zu nehmen, leiden viele unter an sich gut behandelbaren Krankheiten. Mit dieser Meldung hat The Guardian die britische Öffentlichkeit schockiert (online, 21. 06. 2009). Auf einer Liste figurieren 22 verschiedene Krankheiten, an denen jene 114 Briten litten, die Dignitas seit 2002 in den Tod begleitet hatte. Zwar hatten 36 Krebs verschiedener Art und 17 Multiple Sklerose. Zahlreiche Suizidwillige hatten jedoch nicht an einer Krankheit gelitten, die unmittelbar zum Tod führt. Darunter waren etwa zwei Tetraplegiker oder drei Nierenkranke, die man via Dialyse oder Transplantation hätte behandeln können. Zwei der verstorbenen Briten litten an Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit, und einer an einer chronischen Polyarthritis - Krankheiten, die zwar extrem unangenehm, aber durchaus behandelbar seien, wie Tony Calland, Vorsitzender des Ethikkomitees der Britischen Medizinischen Gesellschaft, erläutert. Nun verlangen Vorsitzende Britischer Ärzteverbände schärfere Kontrollen des assistierten Suizids, verbunden mit der Forderung nach einem Ausbau der palliativen Einrichtungen in Großbritannien. Steve Field, Obmann des Royal College of General Practitioners, zeigte sich über die Liste der Krankheiten entsetzt, da „viele Patienten, die unter den angeführten Krankheiten leiden, noch viele produktive und sinnvolle Jahre erleben könnten“. John Saunders, Vorsitzender des Royal College of Physicians Ethics Committee, meint: „Die angeführten Leiden sind so verschieden, dass man annehmen muss, dass Dignitas nichts von einer adäquaten medizinischen Erfassung der hilfesuchenden Patienten versteht.“ Das Journal of Medical Ethics hatte schon 2008 eine Recherche (vgl. IMABE-Newsletter November 2008) publiziert, wonach 21 Prozent der von Dignitas begleiteten Menschen nicht todkrank gewesen sind. Das britische Oberhaus debattiert unterdessen über einen Zusatz zum neuen Justizgesetz. Dadurch würden all jene straffrei ausgehen, die todkranke Angehörige oder Freunde zu deren Selbstmord im Ausland begleiten, berichtet die Berner Zeitung (online, 02. 07. 2009). Dagegen wehren sich der anglikanische Erzbischof von Canterbury, der katholische Erzbischof von Westminster sowie der Chefrabbiner in einer gemeinsamen Erklärung: „Diese Gesetzesänderung würde schwer kranke Menschen, die anderen nicht zur Last fallen wollen, einem erhöhten Risiko aussetzen.“
Bioethik aktuell
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Verein begleitet auch Nicht-Sterbenskranke in den Tod Oberhaus diskutiert neuen Gesetzesentwurf
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