Die Entscheidung war knapp: Mit 284 gegen 249 Stimmen empfahl das EU-Parlament am 15. Juni 2006, die Forschung an Embryonen im Rahmen des 7. EU-Forschungsprogramms (2007 - 2013) mit rund 50 Millionen Euro zu fördern. Vor allem Christdemokraten und Grüne hatten bis zuletzt versucht, diese umstrittene Empfehlung zu verhindern. Es sei ethisch nicht vertretbar, EU-Steuergelder zur Vernichtung von Embryonen freizugeben, argumentieren Kritiker. Die Züchtung von Embryonen zu Forschungszwecken soll vorerst von der EU-Finanzierung ausgenommen bleiben. Das Parlament hat allerdings eine Revisionsklausel eingefügt: Im Jahr 2010 will man überprüfen, ob die Einschränkung mit Blick auf den wissenschaftlichen Fortschritt noch sinnvoll sei. Großbritannien und Schweden haben die liberalsten Gesetzgebungen innerhalb der EU. Sie machten im Vorfeld Druck, auch Klonexperimente mit Embryonen grundsätzlich freizugeben. Hiltrud Breyer, EU-Abgeordnete der Grünen, bezeichnete das Ergebnis als „Desaster“. Es sei dem Parlament nicht gelungen, der EU-Kommission klare ethische Schranken für die Forschungspolitik zu setzen. Sollte der EU-Ministerrat im Herbst den Forschungshaushalt tatsächlich absegnen, käme es zu einer „völlig skurrilen und absurden Situation“, kritisiert der Geschäftsführer des IMABE-Instituts, Enrique Prat, in einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung (21. Juni 2006). Dann wären nämlich zehn EU-Mitgliedstaaten, darunter Österreich und Deutschland, gezwungen, mitzufinanzieren, was in ihren eigenen Ländern aus ethischen Gründen verboten und strafbar ist. „Das zeugt von moralischem Imperialismus“, so Prat. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bioethik der EVP-Fraktion, Peter Liese, ist laut einem ARD-Bericht davon überzeugt, dass es im wissenschaftlichen Kampf gegen Krankheit und Leid auch Grenzen geben muss. Heilen sei kein Selbstzweck, meint Liese, und fügt hinzu: „Man kann auch keine Schmierseife auf Straßen ausbringen, um Organspender zu bekommen.“ Ein drastischer Vergleich, der von Jörg Dietrich Hoppe, dem Präsidenten der Deutschen Bundesärztekammer stammt. Auch die „Kommission der Bischofskonferenzen des EU-Raumes“ (ComECE) zeigte sich „bestürzt“, dass das Europäische Parlament die Instrumentalisierung und Vernichtung menschlicher Embryonen unterstützt. Die europäischen Bischöfe fordern das Europäische Parlament, den EU-Ministerrat und die Europäische Kommission auf, ihre Haltung zur Frage der embryonalen Stammzellenforschung zu überdenken und die EU-Forschungsanstrengungen auf gemeinsame, ethisch unumstrittene Forschungsprioritäten (Stichwort: adulte Stammzellen) zu konzentrieren.
Bioethik aktuell
Stammzellen: EU will verbrauchende Embryonenforschung fördern
Scharfe Kritik an Brüssel von Christdemokraten, Grünen und Bischöfen
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