Mehr Qualität und Transparenz, weniger Forschungsmüll: So lautete eine von Nobelpreisträgern und Lancet initiierte Debatte (vgl. IMABE 2014: Forschung: Wissenschaftselite will mehr Qualität und weniger Forschungsmüll). Jetzt bekommen diese Forderungen neuen Auftrieb: Weniger als die Hälfte der Ergebnisse von psychologischen Studien lässt sich reproduzieren. Das ist das Ergebnis einer in Science publizierten Studie (DOI: 10.1126/science.aac4716). Für Studienleiter Brian Nosek von der University of Virginia in Charlottesville zählt die Wiederholbarkeit von Experimenten und deren Ergebnisse zum Herzstück der wissenschaftlichen Methode. „Wissenschaftliche Ansprüche sind nicht wegen des Status oder der Autorität ihres Urhebers glaubwürdig, sondern weil ihre Erkenntnisse nachweislich reproduzierbar sind“, so der Psychologe.
In dem mehrjährigen Großprojekt prüften Nosek und Kollegen seit 2011 systematisch, wie zuverlässig publizierte Resultate tatsächlich sind. Dazu wählten sie 100 Studien aus, die im Jahr 2008 in drei renommierten psychologischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. An dem Großprojekt waren mehr als 270 Forscher aus fünf Kontinenten beteiligt. Das ernüchternde Fazit: In nur 39 Studien konnte das frühere Resultat bestätigt werden, in mehr als der Hälfte ließen sich die Ergebnisse aus den psychologischen Originalstudien nicht wiederholen - und damit auch nicht bestätigen (vgl. Spiegel, online, 28.8.2015).
Der Befund wecke grundlegende Zweifel am Wissenschaftsbetrieb - weit über die Psychologie hinaus, hält Studienleiter Nosek fest. „Seit Jahren gab es Zweifel an der Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Befunde, aber kaum direkte systematische Belege, ( ) dieses Projekt, das erste seiner Art, belegt substanziell, dass die Sorgen berechtigt sind.“ Der Psychologe hat gemeinsam mit Kollegen 2011 das Reproducibility Project Psychology ins Leben gerufen, eine offene Wissenschafts-Plattform, die sich der Frage der Reproduzierbarkeit von Studienergebnissen im Bereich Psychologie widmet. Die Initiative wurde unter dem Dach des US-Center for Open Science and Science Exchange nach einer Reihe von Skandalen in der psychologischen Forschung ins Leben gerufen.
Auch Nature hat bereits vor einiger Zeit mit kritischer Selbstreflexion begonnen und ein Dossier unter dem Titel Challenges in Irreproducible Research erstellt. Darin werden falsch positive Daten ebenso diskutiert wie die Frage, wie exakt die Wiederholung von Experimenten der Psychologie sein muss, damit man von Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sprechen kann (vgl. Nature doi:10.1038/nature.2015.17433). Einhellig stimmen die Wissenschaftler dafür, dass die Qualitätskontrolle und Transparenz von Methoden, Settings und Ergebnissen in sämtlichen Forschungsgebieten, auch abseits der Psychologie, angewendet sollte. Zum Thema Krebs etwa arbeitet bereits die Gruppe Reproducibility Initiative: Cancer Biology (vgl. Nature, doi:10.1038/nature.2015.17694), ebenfalls unter dem Dach des Open Science Framework (OSF).