Die Informationstechnologien zählen zu den wichtigsten Neuerungen jüngster Zeit. Sie nehmen in vielfacher Hinsicht auch Einfluss auf die Arzt-Patient-Beziehung. Ihre Nutzung wirft erhebliche ethische Fragen auf, nicht zuletzt, weil zur gleichen Zeit andere Entwicklungen in der Medizin das Berufsbild des Arztes beeinflussen, auch im Bereich der Werbung, erklärt der Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission bei der deutschen Bundesärztekammer (ZEKO), Urban Wiesing. Aus diesem Grund hat die ZEKO nun eine umfassende Stellungnahme publiziert, in der sie praxisorientiert auf die neuen Informationstechnologien eingeht. Aus ethischer Sicht sei festzuhalten, dass das spezifische Verhältnis von Arzt und Patient sich von anderen Dienstleistungs- und Informationsverhältnissen unterscheidet. „Medizinische Informationen und Leistungen sind nicht Dienstleistungen wie alle anderen. Grundsätze wie nihil nocere und neminem laedere gelten für ärztliche Werbung und Kommunikation nicht weniger als für die eigentliche ärztliche Behandlung“, betonen die Autoren (Deutsches Ärzteblatt (2010; 107(42): A-2063 / B-1795 / C-1767 22.10).
Im ärztlichen Berufsbild hätten sich gravierende Veränderungen durch ökonomische, technische und rechtliche Entwicklungen im Zusammenhang mit Werbung und neuen Formen technischer Kommunikation ergeben. In ökonomischer Hinsicht versuchen viele Ärzte, sich mehrere Standbeine und damit neue Erwerbsquellen zu erschließen. Insofern entsteht ein „Gesundheitsmarkt“, für dessen Angebote auch geworben wird. In technischer Hinsicht haben neue Kommunikationsformen wie Internet, interaktive Medien und E-Mail die Tätigkeit des Arztes und das Verhältnis zum Patienten erreicht und verändert. Zeitgleich hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Gerichte traditionelle rechtliche Beschränkungen der Werbung und Information im Bereich der freien Berufe mehr und mehr gelockert.
Vor diesem Hintergrund, so betont das ZEKO, könne es nicht um ein defensives Verhalten gehen. Vielmehr soll ein Beitrag zur Entwicklung von Standards einer „good medical communication practice“ geleistet werden, die ihrerseits normativer Bestandteil eines gewandelten Arztbildes sein könnten.
Die Stellungnahme wendet sich an Ärzte, Gesundheitspolitiker, Juristen, Wissenschaftler und Medien. Mit ihr hofft die ZEKO, eine der Bedeutung des Gegenstandes entsprechende Diskussion in den Fachgesellschaften und der Öffentlichkeit anzustoßen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Diskussion auch von den entsprechenden Gremien in Österreich aufgegriffen wird.