Ethik-Kommissionen, Ethik-Enqueten, Ethik-Räte, : Gremien, die im medizinischen und bioethischen Bereich für Ethik für zuständig erklärt werden, sprießen nur so aus dem Boden. Wo aber, wie in der Medizin, eine „Ethik der ersten Person“ (E. Prat) gefragt ist (Was soll ich tun?), soll man sich nicht dank „Absegnungen“ durch Spezial-Gremien seiner Verantwortung entziehen. Das zeigt das Dana-Farber Institute/Harvard Cancer Center (DFCI) in Boston. Es schlägt einen beispielhaften Weg ein, wie sich die ethische Kompetenz aller Berufsgruppen stärken lässt, berichtet die Tübinger Medizinethikerin Monika Bobbert im Deutschen Ärzteblatt (2010; 107(8): A-359/B-319/C-311).
Das DFCI ist eines der traditionsreichsten und renommiertesten Comprehensive Cancer Centers in den USA. Gerade bei der Versorgung von onkologischen Patienten sind Ärzte, Pflegekräfte, aber auch Mitarbeitende anderer Berufsgruppen extrem gefordert. Deshalb legt man großen Wert darauf, dass ethische und psychosoziale Kompetenzen nicht nur an „Ethikspezialisten“ delegiert bleiben. Alle Mitarbeiter sollen über ethische Kompetenzen verfügen und diese in Therapie und Forschung einbringen. Die Fortbildungen im DFCI sind deshalb wesentlich darauf zugeschnitten, die ethische Perspektive in der Praxis umsetzen zu können. Teil des Klinikalltags ist es, ausgewählte Fälle aus der Ambulanz oder Station wöchentlich vorzustellen. Bei Übergaben werden neben medizinischen auch ethische und psychosoziale Fragen im therapeutischen Team durchbesprochen. Dass die „Querschnittsmaterie Ethik“ auch im Unternehmen selbst gelebt wird, zeigen die zahlreichen Auszeichnungen: Das DFCI wurde mehrfach als „top cancer hospital in America“ ausgezeichnet und 2008 von The Scientist als einer der Top-Arbeitsplätze für Akademiker gekürt.