Bioethik aktuell

Umfrage: Österreicher fürchten sich vor dem Pflegeheim

Angst vor Einsamkeit und Pflegebedürftigkeit dominieren die Furcht vor dem Altern

Lesezeit: 02:21 Minuten

© Fotolia_89020043_Photographee.eu

Pflegebedürftigkeit, Demenz und Unselbstständigkeit sowie Einsamkeit sind die Hauptängste der Menschen ab 60 Jahre in Österreich. Das ergab die kürzlich veröffentlichte Onlineumfrage Angst und Alter des market Instituts bei 1.052 Menschen ab 15 Jahren (vgl. Pressemitteilung, online, 21.11.2017). Derzeit sind laut Statistik Austria 1,6 Millionen Menschen in Österreich älter als 65 Jahre. Bis 2030 soll diese Zahl auf etwa 2,15 Millionen gestiegen sein.

Von den 60- bis 69-Jährigen fürchten 78 Prozent, im Alter ein Pflegefall zu werden. Dieser Prozentsatz steigt bei den über 70-Jährigen auf 89 Prozent, es folgt die Angst vor schweren Krankheiten (75 Prozent), Demenz (62 Prozent) und davor, auf andere angewiesen zu sein (59 Prozent). Auch die Angst vor Einsamkeit wurde thematisiert: Insgesamt fürchten sich zwei Drittel aller Befragten vor Einsamkeit im Alter. 14 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind überzeugt, dass sie einsam sein werden, insbesondere Singles.

Im Alter möchten Menschen am liebsten im eigenen Zuhause bleiben, betreut durch Angehörige oder mobile Pflegedienste. Ins Pflegeheim will niemand, so das Ergebnis der Umfrage, die von der Silver Living Gruppe in Auftrag gegeben wurde - nach eigenen Angaben Marktführer im Bau frei finanzierter Seniorenwohnanlagen.

Die Österreichische Interdisziplinäre Hochaltrigenstudie (ÖIHS) zeigt ein weniger düsteres Bild als die market Institut-Umfrage: Demnach leide nur eine Minderheit von Hochaltrigen an Einsamkeit und Depression. Betroffen seien vor allem funktional stark eingeschränkte Personen sowie sozial isolierte Menschen (vor allem Alleinstehende ohne Angehörige), so das 2015 veröffentlichte Zwischenergebnis der Studie, die im Auftrag der Österreichischen Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen durchgeführt wird.

Die gute Nachricht: Derzeit leben 80 Prozent der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen zu Hause, nur 16 Prozent (knapp 77.000 Menschen) in rund 890 Alten- und Pflegeheimen. Rund 25.000 Personen erhalten eine Förderung für 24-Stunden-Betreuung zu Hause. Der Wiener Soziologe Franz Kolland betonte auf einer Pressekonferenz der Volksanwaltschaft (online, 21.11.2017), dass Pflege und Betreuung nicht allein auf staatlicher Basis möglich seien. Der sozio-demografische Wandel mache einen Umbau des Pflege-Systems notwendig und erfordere eine neue Pflegekultur. Auch wenn die Familie voraussichtlich an Bedeutung abnehmen werde, sei eine strikt öffentliche Lösung der Probleme alter, pflegebedürftiger Menschen durch den Staat eine Illusion, so Kolland. Dafür seien weder die Finanzmittel noch das Personal vorhanden, noch erscheine es humanitär wünschenswert. Der Altersexperte tritt für einen „Wohlfahrtsmix“ ein: ein Zusammenspiel von Staat, sozialen Dienstleistern und Unternehmen, den Angehörigen und den alten Menschen selbst.

Laut einer WIFO-Studie wird es auch in Zukunft Einrichtungen der stationären Langzeitpflege geben müssen (Ausbau der stationären Pflege in den Bundesländern. Quantitative und qualitative Effekte des Einsatzes öffentlicher Mittel im Vergleich zur mobilen Pflege 2014). Entscheidendes Motiv der Angehörigen, ein Pflegeheim zu wählen, sei vor allem die Angst vor Überforderung durch die Pflege zuhause. Laut WIFO sei mit der Alterung der Baby-Boomer-Generation auf 85plus ein deutlicher Ausbau der stationären Pflege unabdingbar, so die Experten.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: