Studenten in Deutschland werden heute doppelt so viele Psychopharmaka verschrieben als noch vor vier Jahren: 2010 erhielt ein Student statistisch betrachtet 13,5 Tagesdosen, um 55 Prozent mehr als 2006 (8,7 Tagesdosen). Jedes fünfte Medikament, das ein Hochschüler konsumiert, war ein Psychopharmakon, wobei sich der Anteil der Antidepressiva um 40 Prozent erhöhte. Das ist das Ergebnis einer von der Techniker Krankenkasse (TK) zur gesundheitlichen Situation von Studierenden im Alter von 20 und 35 Jahren veröffentlichten Studie (vgl. Pressemitteilung, online 28. 11. 2012). Der Verbrauch von Psychopharmaka unter Hochschülern stieg stärker als unter gleichaltrigen Berufstätigen. In dieser Gruppe erhöhte sich die Quote von 7,1 Dosen im Jahr 2006 auf 9,9 Dosen 2010. Das entspricht einem Plus von 39 Prozent.
Gründe für den gestiegenen Psychopharmaka-Konsum nannte die TK nicht, sie verwies aber auf eine Umfrage, wonach jeder zehnte Student angibt, dass er bzw. sie zur Bekämpfung von Stress Psychopharmaka nehme.
Gibt es tatsächlich mehr psychische Kranke? Oder bloß mehr Verschreibungen von Psychopharmaka? Diese Frage lässt die TK-Studie unbeantwortet. Der Vorwurf der Erfindung neuer Krankheiten zwecks Steigerung des Absatzes von Produkten der Pharmaindustrie wurde ja im Vorfeld der Neuauflage des Psychiatrie-Handbuchs Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) in Expertenkreisen heftig diskutiert (vgl. Bioethik aktuell, 19.3.2012, Psychiatrie: Mediziner warnen vor Erfindung von Pseudo-Krankheiten). Anfang Dezember 2012 hat nun die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft endgültig grünes Licht für die Neuauflage des ab Mai 2013 erhältlichen DSM-5 gegeben (vgl. Pressemitteilung, online 1. 12. 2012).
Einige Punkte blieben darin bis zuletzt umstritten, so der Passus über Depression. Laut DSM-5 wird bereits eine länger anhaltende Trauer - etwa nach dem Tod eines geliebten Menschen - als behandelbare Krankheit eingestuft (vgl. Nature, 4. 12. 2012).