Mit neuartigen Stammzelltherapien werden starke Hoffnungen geweckt, die Realität sieht jedoch anders aus. Im Tierversuch soll es gelungen sein, dank Injektion einer im Labor gereinigten Nasenschleimhaut einen gelähmten Hund wieder zum Laufen zu bringen. Für eine Amerikanerin, die nach einem Unfall mit 18 Jahren querschnittgelähmt war, schien dies ihr letzter Hoffnungsanker - obwohl die Autoren der Hunde-Studie ihre Arbeit nur als Grundlagenforschung sahen. Klinische Versuche mit Vorläuferzellen aus der Nasenschleimhaut gab es noch keine. Dennoch fand die zu diesem Zeitpunkt 21-Jährige US-Ärzte, die das Experiment mit ihr durchführten. Das Ergebnis: Die Behandlung hatte keinerlei positiven Effekt. Stattdessen entwickelte sich acht (!) Jahre später aus den sogenannten olfaktorischen Hüllzellen ein Tumor im Rückenmark, der bei der Rollstuhlpatientin massive Schmerzen im Rücken auslöste. Sie musste operiert werden, der histologische Befund ergab, dass sich eine unkontrollierbare Wucherung anderer Zellen am Ort der Transplantation gebildet hatte, berichten die Autoren im Journal of Neurosurgery (Oct 2014/Vol.21/No.4/618-622). Das Problem der Vorläuferzellen ist bekannt: Sie können zwar die Regeneration von Nervenzellen anstoßen, zugleich aber auch das Wachstum von Tumorzellen.
Die Autoren des Case-Reports im Journal of Neurosurgery stellen klar, dass angesichts der Rückenmarksbehandlung ihrer Patientin, die 8 Jahre später schwere Probleme hatte, die Überwachung aller mit Zelltransplantation und neuraler Stammzellimplantation behandelten Patienten über viele Jahre beibehalten werden muss. Der erstmals publizierte Fall mit Komplikationen sollte der Scientific Community jedenfalls eine Warnung sein, so die Autoren. Prominente US-Bioethiker hatten bereits 2011 den „unredlichen Hype“ um die Stammzellenforschung kritisiert (vgl. IMABE 2011: Stammzellforschung: Prominente Bioethiker kritisieren „unredliche Hype“) und sprachen von bewusst überzogenen Versprechungen, die das „Vertrauen in die Wissenschaft untergraben“.