Wie hilfreich ist es für Mütter, mittels Pränataldiagnose schon frühzeitig über den Gesundheitszustand ihres Kindes erfahren, vor allem dann, wenn eine Missbildung entdeckt wird? Argumentiert wird oft damit, dass das frühe Wissen dazu verhelfe, sich besser auf die Zeit nach der Geburt vorbereiten zu können. Ein US-Wissenschaftlerteam hat dies bei der Diagnose Lippen-Gaumen-Spalte untersucht. Fazit: Für die Mütter war es kaum erheblich, ob sie von der Diagnose vor oder nach der Geburt erfuhren. Die Studienautoren stellten in der im The Cleft Palate Craniofacial Journal publizierten Studie (2010; 47(5): 476-481, doi:10.1597/08-177) fest, dass Mütter mit frühzeitiger Kenntnis der Lage keineswegs in höherem Maße „beruhigt“ waren, obwohl sie mehr Zeit zur Bildung und Vorbereitung hatten.
Unter der Leitung von James M. Robbins von der University of Arkansas for Medical Sciences wurden 235 Mütter von betroffenen Kindern im Alter von 2 bis 7 Jahren interviewt. Die Missbildung war nur bei 46 Prozent der Kinder im Ultraschall erfasst worden, bei 54 Prozent der Kinder kam sie erst bei der Geburt ans Tageslicht. Von jenen Müttern, die bereits vor der Geburt von der Lippen-Gaumen-Spalte wussten, gaben 76 Prozent an, von der daraus resultierende Beratung durch ein multidisziplinäres „Cleft-Team“ profitiert zu haben, im gleichen Maße profitierten aber jene, die erst nach der Geburt von der Missbildung erfuhren (78 Prozent). Auch der Therapieverlauf (Zahl der Eingriffe, Erwartungshaltungen, Komplikationen, Qualität der Obsorge) wurde von beiden Gruppen gleich beurteilt. Der einzige Aspekt der Studie mit signifikanten Unterschieden war die Fütterung des Neugeborenen, die spezielle Maßnahmen erfordert und nicht selten für Besorgnis bei Ungeübten hervorruft. Hier scheint die pränatale Diagnosestellung offensichtlich nützlich zu sein.
Unbeantwortet lassen die Autoren die Frage, ob die Frühdiagnostik nicht auch eine höhere Angst bei Müttern auslöst. Auch wird nicht angesprochen, inwieweit es sinnvoll ist, Diagnosen zu stellen, für die es keine Therapie gibt, und ob Pränataldiagnose nicht letztlich den Druck auf Abtreibung von Kindern mit Behinderung fördert.