Die Lebenserwartung in westlichen Ländern steigt - und damit auch die Zahl von Menschen, die an altersbedingten chronischen Erkrankungen und Multimorbidität leiden. Damit braucht es in den nächsten 25 Jahren einen weit größeren Ausbau an Palliativpflege als bisher erwartet. Doch die Gesundheitssysteme sind auf diese Entwicklung noch unvorbereitet. Das ist das Ergebnis einer aktuell in BMC Medicine publizierten Studie (2017; 15(1): 102, doi: 10.1186/s12916-017-0860-2).
Die Autoren des Cicely Saunders Institute at King's College London konzentrierten sich in ihren Berechnungen auf Länder mit höherem Wohlstand. Großbritannien zählt laut WHO wie Österreich zu jenen Ländern, in denen Palliative Care am Lebensende bereits auf relativ hohem Level in die Versorgung integriert ist (vgl. WHO Global Atlas on Palliative Care At the End of Life). Berechnet man den wachsenden Bedarf angesichts der Alterspyramide, zeigt sich jedoch, dass auch hier für die nahe Zukunft große Herausforderungen bestehen. Alleine für England und Wales, so die Berechnung der Studienautorin Irene Higginson und Kollegen, werden bis zum Jahr 2040 jährlich 42 Prozent mehr Menschen (160.000 pro Jahr) eine Palliativpflege benötigen. Mit dem jetzigen Personal- und Ausbildungsstand sei das nicht zu bewältigen.
Was also tut Not, um sich auf diese Situation vorzubereiten? „Die Art und Weise, in der wir heute Gesundheitspflege und palliative Pflege anbieten, muss sich ändern“, betont die Medizinerin und Direktorin des Cicely Saunders Institute. Die Gesundheitsversorgung stellt gegenwärtig einzelne Organkrankheiten in den Fokus, sie müsse sich aber hin zu einer „koordinierten, personzentrierten Pflege wandeln“.
Die Autoren nennen dafür mehrere Maßnahmen, u. a. müsse ab sofort die Palliativausbildung für Pflegende und Mediziner massiv aufgestockt werden. Außerdem sollte intensiv in die geriatrische Ausbildung investiert werden, ebenfalls besser heute als morgen, da sich die Implementierung in der Regel über mehrere Jahre hinzieht. Es sei dringend notwendig, jetzt zu handeln, um Gesundheits-, Sozial- und Palliativpflegedienste so zu verändern, dass sie den Zuwachs an palliativem Pflegebedarf bewältigen können. Im Zentrum der Aufmerksamkeit sollten die Bedürfnisse der Betroffenen stehen, die an chronischen und komplexen Krankheiten bzw. an altersbedingten Syndromen wie Schwäche und Demenz leiden. Es sei zudem nötig, ihre Familien mehr zu unterstützen, betonen die Mediziner.