Sind Raucher (und Alkoholiker) anfälliger dafür, später zu härteren Drogen zu greifen? Dies war Teil der sogenannten Gateway-Hypothese der US-Epidemologin Denise Kandel aus dem Jahr 1975, die allerdings umstritten blieb. Von konservativen Politikern wurde sie gerne als Argument für das Cannabis-Verbot genannt, da diese Droge nach den Untersuchungen ebenfalls eine häufige Einstiegsdroge ist. Nun scheint eine aktuelle in Science Translational Medicine (doi: 10.1126/scitranslmed.3003062) publizierte Studie von US-amerikanischen und österreichischen Wissenschaftlern die These zu bestätigen. Den Forschern rund um Denise Kandel und den Neurobiologen Eric Kandel an der Columbia University Medical Center gelang es im Tierversuch nachzuweisen, dass Nikotin epigenetische Veränderungen bewirkt - also dauerhafte Veränderungen in der Kontrolle der Genexpression, die das Individuum später schneller und stärker von Kokain abhängig machen können.
So aktivierten süchtige Mäuse in verstärktem Maß das Gen FosB, das als molekularer Marker für Abhängigkeit gilt. Außerdem wies das Suchtverhalten der Mäuse signifikante Merkmale auf. Wenn es stimmt, dass Einstiegssüchte den Griff zu härteren Drogen fördern, werde dies auch, so Experten in Nature (online 2. 11. 2011, doi:10.1038/news.2011.627) in Zukunft Einfluss auf Präventionsmodelle, Therapien, aber auch die Gesetzgebung haben, wenn es um den Drogen- und Alkoholkonsum bei Jugendlichen geht.
Wenn es stimmt, dass Raucher bei Kokainkonsum ein erhöhtes Risiko für Abhängigkeit haben verglichen mit Menschen, die Kokain konsumieren und erst dann mit dem Rauchen anfangen, müssen die politischen Implikationen der Ergebnisse zweifellos diskutiert werden. So meint etwa die Psychiaterin an der Washington University in St. Louis-Missouri, Laura Bierutdie - sie ist auf Erforschung der genetischen Epidemiologie von Sucht spezialisiert -, die Columbia-Studie lege nahe, dass die bestehenden Strategien zur Verringerung des Tabakkonsums einen größeren Einfluss auf die öffentliche Gesundheit haben könnten als gedacht.
Der molekulare Mechanismus, den das Columbia-Team in ihrer Arbeit aufzeigt, "ist spannend, weil dies zu therapeutischen Interventionen führen könnte", sagt die Neuropharmakologin Francis Leslie von der University of California-Irvine. Sie hofft, dass es aufgrund der neuen Erkenntnisse in Zukunft weniger umstritten sei, den Begriff" Einstiegsdroge" in Fachliteratur und in Forschungsanträgen zu verwenden.