Die Diskussion rund um Nutzen und Schaden von Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Laut einer im Annals of Intern Medicine nun publizierten deutsch-amerikanischen Studie (2012: 156:340-349) konnte die Mehrzahl der Ärzte relevante von irrelevanten und sogar fehlleitenden Informationen nicht unterscheiden (Pressemitteilung online, 9.3.2012). So ist zum Beispiel die Fünf-Jahresüberlebensrate laut Studienleiterin Odette Wegwarth vom Harding Center for Risk Literacy, Max Planck Institute for Human Development bei Screening-Untersuchungen ein höchst fraglicher Parameter. Denn diese verlängert sich allein durch die Früherkennung nur scheinbar - nämlich genau um die Zeit, die der Tumor früher also in einem Frühstadium - erkannt wird. Dies als Überlebensgewinn zu verkaufen, ist schlichtweg falsch. Wenn die Diagnose z. B. eines Prostatakarzinoms im 60. Lebensjahr gestellt wird, beträgt die Lebenserwartung durchschnittlich 10 Jahre. Wenn der Tumor um Jahre später, z. B. im 67. Lebensjahr und in einem fortgeschrittenen Stadium festgestellt wird, leben die Patenten im Mittel drei Jahre, sterben also auch mit 70. Die Frühdiagnose konnte daher kein Leben „retten“. Über drei Viertel der befragten Ärzte war dieser Zusammenhang jedoch nicht bewusst.
Dies wird auch illustriert am Fall des langsam wachsenden Prostatakarzinoms im hohen Lebensalter. Solche Tumoren, die zwar beim Screening entdeckt werden, aber die betroffenen Personen gesundheitlich nie beeinträchtigt hätten, können zu einer Übertherapie Anlass geben, die für solche Patienten dann ohne Nutzen ist (keine Leben werden gerettet), während sie jedoch zusätzlich dem Risiko von Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz ausgesetzt werden.