Die Erklärung von Interessenskonflikten ist auf internationaler Ebene für jeden wissenschaftlich tätigen Arzt üblich. Ohne sie darf man in der Regel weder auf Kongressen vortragen, noch in Zeitschriften publizieren. Auch Zahlungen an Ärzte durch Pharmafirmen müssen laut gerichtlicher Anordnung in den USA offengelegt werden (vgl. USA: Fachjournals und Pharmafirmen beschließen gemeinsam ethische Leitlinien). Eine jüngst in PLoS publizierte Studie (DOI: 10.1371/journal.pmed.100150) nimmt die Interessenkonflikte von Personen, die Leitlinien für die Behandlung von Krankheiten wie Bluthochdruck, ADHS, Alzheimer oder Asthma ausarbeiten, unter die Lupe. Das Ergebnis: Finanzielle Verbindungen von Leitlinien-Gruppenmitgliedern zu Firmen, die Medikamente zur Behandlung der jeweiligen Krankheiten anbieten, sind eher die Regel als die Ausnahme.
Die Studie, die Daten aus den Jahren 2000 bis 2013 zu US-Experten auswerteten, die sich mit der (Neu-)Festsetzung von Definitionen und diagnostischen Kriterien befassten, belegt, dass die Industrie gezielt Beziehungen zu jenen Experten pflegt, die über die Ausweitung der Krankheitsdefinitionen und damit über die Größe des Absatzmarktes für Medikamente entscheiden. Damit wird aber der Überdiagnose - eine Diagnose mit negativer Nutzen-Schaden-Bilanz - und der Übertherapie der Weg gebahnt, resümiert das Forum Gesundheitspolitik (online, 19. 12. 2013).
Und wie steht es um die Offenlegung eines Interessenskonflikts, wenn der Patient seinem Arzt direkt gegenübersitzt und eine konkrete Therapieempfehlung erhält?
Patienten können einem ärztlichen Rat nicht vertrauen, wenn Ärzte ihre finanziellen Verbindungen zu Pharmaunternehmen verbergen. Ein Patient sollte deshalb aktiv vom behandelnden Arzt über potentielle Interessenskonflikte informiert werden, fordert Leana Wen, Notfallmedizinerin und Direktorin des Patient-Centered Care Research at George Washington University im British Medical Journal (2014; 348: g167). Sie rief nun eine Internet-Plattform Who is my Doctor? ins Leben. Dort haben Ärzte die Möglichkeit, freiwillig für ihre Patienten offenzulegen, welche finanzielle Verbindung sie zu Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen haben, ob ihr Gehalt durch die Durchführung von Tests oder Verfahren aufgebessert wird usw.
Die Medizinerin begründet ihre Forderung mit Forschungsergebnissen zum Einfluss von Pharmafirmen auf das ärztliche Verhalten. 94 Prozent der Ärzte hatten einer im New England Journal of Medicine (2007; 356: 1742-1750) publizierten Studie über finanzielle oder materielle Zuwendungen von Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen berichtet. Studien haben gezeigt, dass diese Affinitäten auch die Therapieentscheidungen beeinflussen. „Ärzte sollten dazu veranlasst werden, offenzulegen, wie persönliche Anreize Behandlungsempfehlungen im Rahmen der Einholung der Einwilligung beeinflussen können.“ Offenheit führe zu einer besseren Kommunikation, verbessere das Vertrauen und damit den Zugang zu einer besseren Versorgung, ist Wen überzeugt.