Chemikalien im Trinkwasser könnten die Fortpflanzungsfähigkeit von Männern gefährden. Das untermauert eine jüngst publizierte britische Studie (Environ Health Perspect, doi:10.1289/ehp.0800197), die drei Jahre lang das Wasser aus 30 Flüssen Englands unter die Lupe nahm. Auf „weiblicher Seite“ legt eine im Fachjournal Human Reproduction veröffentlichte Studie (2009: 1, No. 1, 1-6 doi:10.1093/humrep/den490) nahe, dass von der Industrie häufig eingesetzte Chemikalien die Fruchtbarkeit von Frauen beeinträchtigen können.
In britischen Flüssen finden sich verschiedene Substanzen, die aus Medikamenten oder Pflanzenschutzmitteln stammen und als Östrogene oder wie Antiandrogene wirken. Das heißt: Sie können das Männerhormon Testosteron blockieren und damit die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Die Stoffe gelangen über den Wasserkreislauf in den Organismus. Von den Östrogenen weiß man, dass sie aus industriellen Chemikalien oder der Antibabypille über das Abwassersystem in die Fischgewässer gelangen, da Kläranlagen sie nur begrenzt filtert können. Früheren Studien gemäß verweiblicht Östrogen männliche Fische, im Extremfall bis zur kompletten Geschlechtsumwandlung der Tiere. Nun hat sich der Verdacht erhärtet, dass nicht nur Östrogenspuren im Wasser für die messbar nachlassende Fruchtbarkeit (sinkende Qualität und Anzahl der Spermien) von Männern mitverantwortlich sind, sondern ein ganzer „Chemikalien-Cocktail“, sagt Studienleiterin Susan Jobling von der britischen Brunel University, die den komplexen chemischen Ursachen für Hormonschäden bei Tier und Mensch nachgeht. Sie und ihr Team will nun herausfinden, auf welche Quellen die antiandrogenen Substanzen in den Gewässern zurückzuführen sind.
Auf „weiblicher Seite“ gelten perfluorierte Tenside als möglicher Fruchtbarkeitshemmer. Sie sind hitzebeständig, wasser- und ölabweisend und werden gerne in Verpackungen von Lebensmitteln, Polstermöbeln und Teppichen etc. verwendet. Da sie in der Natur nicht abbaubar sind, können sie über die Nahrungskette als langlebige organische Schadstoffe in den Organismus gelangen. Bei Tieren ließen sich bei einer größere Resorption von perfluorierten Chemikalien (PFC) bei Feten Spontanaborte beobachten.
Die Epidemologin Chunyuan Fei von der University of California in Los Angeles (UCLA) und ihre Mitarbeiter haben den Zusammenhang jetzt erstmals beim Menschen untersucht. Dabei bedienten sie sich der Daten der Danish National Birth Cohort. Diese hatte 1.240 Frauen in der Frühschwangerschaft nach der Dauer des Kinderwunsches befragt und zugleich in Blutproben die PFC-Konzentration bestimmt. Die Menge der im Blut nachgewiesenen Chemikalie reichte von 6,4 Nanogramm pro Milliliter Blut bis zu 106,4 Nanogramm. Es zeigte sich, dass Frauen mit höheren Werten erst später schwanger wurden. Laut der aktuellen Studie hatten diese Frauen zusätzlich mehr Probleme mit unregelmäßigen Menstruationszyklen. Offenbar haben die Schadstoffe Einfluss auf den Hormonhaushalt. Weitere Studien sollen nun klären, ob PFC-Chemikalien „auf die Liste der Risikofaktoren für Unfruchtbarkeit gesetzt werden sollten“, sagt Studienleiter Jørn Olsen.