Vier Minuten am Krankenbett, 20 Sekunden für die Angehörigen: Das ist die Zeit, die Stationsärzte durchschnittlich am Krankenbett des Patienten bzw. für die jeweiligen Verwandten aufbringen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die an der Universitätsklinik in Freiburg durchgeführt wurde und im BMC Health Services Research (2010; doi:10.1186/1472-6963-10-94) publiziert wurde. Die flüchtigen Patientenkontakte standen zugleich in einem markanten Kontrast zu den fast elf Stunden währenden Arbeitstagen der Ärzte. Auf Ruhepausen entfielen dabei lediglich 35 Minuten und auf Gespräche mit sämtlichen Patienten und deren Angehörigen achtzig Minuten. Die verbleibende Zeit erledigten die Stationsärzte zahlreiche andere Aufgaben, darunter etliche Schreibtischarbeiten. Sie hatten Patientendaten zu dokumentieren und Abrechnungsformulare auszufüllen. Die wachsende Überfrachtung mit solchen nicht-ärztlichen Tätigkeiten machen viele Ärzte auch dafür verantwortlich, dass ihnen kaum noch Zeit für ihre Patienten bleibt, heißt es in einem Übersichtsartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (online, 21. November 2010), der sich der für Ärzte und Patienten unbefriedigenden Kommunikationssituation und möglichen Auswegen widmet.
Nicht die Quantität, sondern die Qualität mache es aus, sagen die einen. Unübersehbar ist zugleich der Trend, dass der Einsatz von medizintechnischen Untersuchungen finanziell besser abgegolten wird als die zeitliche Widmung am Patienten - und das trotz der Erkenntnis, dass die gute Kommunikation und das Vertrauen zum Arzt einen erheblichen Faktor für den Therapieerfolg ausmachen. Auch Ärzte leiden unter der „Entmenschlichung der technikorientierten modernen Medizin“, stellen Thomas Cole und Nathan Carlin vom Gesundheitszentrum der University of Texas in Lancet (2009; 374: 1414-1415) fest. Die Kluft zwischen den beruflichen Idealen und den limitierenden Umständen des Arbeitsalltags kann zu einer Dauerspannung führen, zu chronischem Stress und Burnout. Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht der deutsche Kommunikationsexperte und Mediziner Linus Geisler in einer stärkeren Gewichtung der „sprechenden Medizin“. Ärzte, die über gute kommunikative Fertigkeiten verfügen, würden demnach nicht so empfindlich auf beruflichen Stress reagieren, könnten die Krankheiten ihrer Patienten emotional besser verkraften und würden außerdem weniger zu Depressionen und Suizid neigen.