Die Medizinnobelpreis 2012 geht an zwei Pioniere der Stammzellforschung: an den Japaner Shinya Yamanaka von der Universität Kyoto und den Briten Sir John Gurdon, ehemals Professor an der Universität Cambridge. "Ihre Erkenntnisse haben unser Verständnis davon revolutioniert, wie sich Zellen und Organismen entwickeln", begründete das Nobelpreis-Komitee seine Wahl (Pressemitteilung, online, 15.10.2012).
Aus ethischer und forschungspolitischer Sicht ist die Vergabe des Preises ein wichtiges Signal: Yamanaka gelang es, bestehende Zellen umzuprogrammieren und zu „verjüngen“, so dass sie embryonale Eigenschaften erhielten. Damit eröffnete er einen Weg, wie Wissenschaftler an Stammzellen mit embryonalen Charakteristika forschen können, ohne dabei menschliche Embryonen im Rahmen der Stammzellforschung vernichten zu müssen. Gurdon hatte bereits 1962 am Frosch-Modell festgestellt, dass sich die Spezialisierung des Erbguts einer Zelle rückgängig machen lässt und damit wichtige Grundlagen für Yamanakas Durchbruch gelegt.
Yamanaka fand 2006 heraus, wie man reife, also spezialisierte Zellen der Maus in unreife, pluripotente Stammzellen verwandeln kann. Aus solchen induzierten pluripotenten Stammzellen (IPS) können sich dann wieder alle unterschiedlichen Körperzellen entwickeln. Im Jahr 2007 gelang es dem Japaner dann, eine menschliche Hautzelle in eine pluripotente Stammzelle zurückzuprogrammieren (Bioethik aktuell, 17.12.2007).
Yamanaka war Gast der Alpbacher Technologiegespräche 2008, wo er sehr bescheiden auftrat. Die neue Technologie solle weder über- noch unterbewertet werden. Man sei keinesfalls derzeit heute schon in der Lage, Menschen damit heilen zu können, betonte der Wissenschaftler. Auf Nachfrage von IMABE (vgl. Bioethik aktuell, 9.9. 2008) stellte Yamanaka in der damaligen Diskussion fest, dass es seiner Ansicht nach nicht notwendig sei, neue embryonale Stammzelllinien für Forschungszwecke herzustellen (und damit weitere Embryonen zu zerstören). Die bereits bestehenden Stammzelllinien reichten für die Forschung völlig aus, so der Nobelpreisträger.
In einem Interview mit der New York Times (online, 11.12.2007) schilderte Yamanaka schon 2007 den Auslöser für seine Wende in der Forschung mit embryonalen Zellen. Jahre zuvor hatte er als Gast einer IVF-Klinik durch das Mikroskop einen tief gefrorenen Embryo gesehen: „Als ich den Embryo sah, wurde mir plötzlich klar, dass zwischen ihm und meinen Töchtern so gut wie kein Unterschied bestand“, so der zweifache Vater. „Damals erkannte ich, dass wir nicht weitere Embryonen für die Forschung zerstören dürften. Es muss einen anderen Weg geben.“
Am 10. Dezember erhält er in Stockholm nicht nur den Nobelpreis, sondern auch die Bestätigung, dass ethisch sauberes Forschen erfolgversprechend ist. Dieses Faktum sollte genug Stoff für eine politische Debatte in Österreich und Europa in Hinblick auf die derzeit diskutierte Vergabe von EU-Geldern für die umstrittene Forschung mit Embryonen geben (vgl. Bioethik aktuell, 8.10.2012).