In Deutschland ist - wie auch in Österreich - die Abtreibung von behinderten Kindern ohne Frist, also bis zur Geburt, gesetzlich erlaubt. Nach einem jahrzehntelangen Streit gibt es nun in unserem Nachbarstaat eine neue Regelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz. Mit klarer Mehrheit stimmten die Parlamentarier dafür, dass auch bei späten Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche eine Beratungspflicht des Arztes besteht. Zugleich muss künftig zwischen der Diagnose und der ärztlichen Abbrucherlaubnis eine Bedenkfrist von drei Tagen liegen. Kommt der Arzt den Auflagen nicht nach, droht ihm ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro.
Anlässlich der Debatte in der Bundesrepublik um strengere Bestimmungen bei Spätabtreibungen forderte der Medizinethiker Giovanni Maio eine Entschärfung des Haftungsrechts für Ärzte, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 14. 05. 2009). Aus Angst vor Regressforderungen der Eltern neigten manche Ärzte zu drastischen Beschreibungen über Ausmaß und Folgen einer möglichen Behinderung des ungeborenen Kindes, so der Direktor des Freiburger Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin. „Wenn sie die Diagnose sehr drastisch formulieren und so tun, als wäre es eine Katastrophe, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen, ist ein Schwangerschaftsabbruch oft schon programmiert“, erläuterte Maio. Bei Änderungen des Haftungsrechts fiele es den Ärzten dagegen leichter, die Frauen zu einer Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen, sagte der Medizinethiker, der auch Mitglied des Ausschusses für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer ist. Er halte es für sehr bedenklich, dass die Schwangerschaft im Zuge der Pränataldiagnostik immer mehr zu einer Krankheit gemacht worden sei. Die Frauen dürfe man in der schwierigen Situation einer möglichen Behinderung des Kindes nicht allein lassen. Man müsse ihnen versichern, dass „es eine gute Entscheidung ist, wenn sie sich für das behinderte Kind entscheiden, und sie nach der Geburt entsprechend unterstützen“.