Wer nach der Ethik im Gesundheitswesen fragt, will wissen, was ein gutes Gesundheitswesen ausmacht. Wie praxisnahe und treffsicher die Antworten darauf sein können, zeigt das kürzlich veröffentlichte Manifest der Schweizer Stiftung Dialog Ethik. Dialog Ethik ist als Interdisziplinäres Institut für Ethik im Gesundheitswesen an der Universität Zürich angesiedelt.
Hintergrund des Manifests ist das einerseits extrem hohe Niveau in Medizin und Gesundheitswesen, das der breiten Bevölkerung zur Verfügung steht. Die Schattenseite: Die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens werden übermäßig, ja grenzenlos. Es herrscht ein andauernder und starker ökonomischer, politischer und menschlicher Druck. Unter dem Titel Die Anerkennung unserer Grenzen - ein Manifest für das Maßhalten im Gesundheitswesen tritt Dialog Ethik nun mit 10 Thesen und 10 Forderungen an die Öffentlichkeit, die Wegweiser für die Zukunft der Versorgung und Behandlung von Kranken sein sollen. Die 10 Thesen tragen folgende Titel: Ausblendung unserer Grenzen; Behandlungsextremismus, Fortschrittsgläubigkeit, Fehlende Priorisierung, Gefährdung der Solidarität, Kommerzialisierung, Undurchsichtigkeit, Fehlende Gesundheitskompetenz, Überlastung und Verantwortungsverlust.
Die Autoren fordern als „erste Bedingung für einen notwendigen Realismus im Gesundheitswesen“ die „Anerkennung und die Respektierung unserer Grenzen, unserer Verletzlichkeit, Sterblichkeit und Abhängigkeit“, und zwar sowohl „auf Seiten der professionell Tätigen“ als auch „auf Seiten der Patienten und Patientinnen“. Management und Gesundheitsökonomie hätten in Hinblick auf die medizinische und pflegerische Praxis eine „dienende Funktion“, sie seien nicht Selbstzweck. Kritisch wird eine Anspruchshaltung bei gesunden und kranken Menschen, aber auch in der Ärzteschaft gesehen, „Gesundheit im Sinne einer maximalen Leistungsanforderung zu steigern“. Dies führe zu unnötigen Untersuchungen, überflüssigen Therapien bis hin zu schädigenden Übertherapien: „Die Anerkennung von zeitlichen, räumlichen und finanziellen Grenzen ist eine unabdingbare Voraussetzung für einen ökonomischen und menschlichen Realismus im Gesundheitswesen.“ Es gehe darum, Kranken eine angemessene und sinnvolle Behandlung zu gewähren und nicht Gesunde zu behandeln oder zu „verbessern“. Darüber hinaus unterstreicht das Manifest eine Ethik der Eigenverantwortung: „Verantwortung lässt sich nicht delegieren“. Sie sei sowohl von den Bürgern einzufordern (persönlicher Lebensstil), als auch von Patienten und den im Gesundheitswesen Tätigen. Nur gemeinsam könne ein maßvoller und sinnvoller Umgang mit Ressourcen erreicht werden, so die Unterzeichner des 10-Punkte-Forderungskatalogs. Das Manifest kann online unterzeichnet und auch kritisch kommentiert werden, wozu die Initiatoren ausdrücklich ermutigen.