Laut einer jüngst in PloS Medicine (2010; 7: e1000202) veröffentlichten Studie hat eine von der Tabakindustrie angeführte Lobbygruppe die Gesetzgebung der Europäischen Union zum Schaden der Bevölkerung beeinflusst. Die Lobbyisten nahmen insbesondere Einfluss auf die Folgen- und Risikoabschätzung der EU („impact assessment“). Hauptorganisator der Lobby-Arbeit war nach Einschätzung der britischen Studienautorin Katherine Smith von der University of Bath/School for Health der weltweit zweitgrößte Tabakdrogenproduzent, die British-American Tobacco (BAT). Die Studienleiterin und ihre Kollegen analysierten 714 interne BAT-Dokumente, die Informationen über die Versuche enthalten, die Reform der europäischen Regulierung zu beeinflussen. Die vormals internen Firmenunterlagen mussten veröffentlicht werden, nachdem Tabakhersteller im Rahmen diverser Schadensersatzklagen in den USA verurteilt worden sind. Die „Legacy tobacco documents“ sind mittlerweile im Internet frei einzusehen und dienen Wissenschaftlern, die der Lobby-Arbeit der Tabakindustrie nachgehen, als wichtige Grundlage, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 12. 01. 2010).
So zeigt sich, dass die Lobby-Aktivitäten der global agierenden Firmen neben dem US-Markt auch Europa betrafen - ohne dass EU-Parlamentarier Verdacht schöpften. BAT sei aktiv geworden, als weitere Einschränkungen des Rauchens in der Öffentlichkeit und ein umfassendes Verbot der Tabakwerbung in der Europäischen Union im Gespräch waren. So kam am Ende eine Reihe von Reformen zustande, die als „Better Regulation“ zusammengefasst werden. Sie dienen nach Ansicht der Autorin nicht mehr dem Verbraucherschutz, sondern schützen die Industrie vor schädlichen Auswirkungen auf die Gewinne.