Die Zahl der Kaiserschnitte ist in den vergangenen Jahren weltweit stark angestiegen - auch im deutschen Sprachraum. Nun vermutet die Deutsche Technikerkasse (TK), dass ökonomische Gründe dabei eine Rolle spielen. In deutschen Krankenhäusern würden Kaiserschnitt-Geburten immer häufiger als teure Notfall-OP abgerechnet, die günstigeren vorab geplanten Kaiserschnitte würden dagegen seltener, so die Auswertung seitens der Kasse. Eine durchschnittliche, ungeplante Kaiserschnitt-Geburt kann aktuell mit fast 3400 Euro abgerechnet werden, eine vergleichbare geplante OP dagegen mit knapp 2700 Euro. Vor der Neuregelung im Jahr 2009 hatten die gesetzlichen Krankenkassen eine Sectio einheitlich vergütet, die Rate der geplanten und ungeplanten Eingriffe hielten sich die Waage, dann kam es plötzlich zu einem signifikanten Anstieg der „Not-Kaiserschnitte“.
Laut TK sei der Anstieg bei ungeplanten Kaiserschnitten auf ökonomische Anreize zurückzuführen, alleine für ihre Versicherung seien Mehrkosten in Höhe von knapp 3,7 Millionen Euro entstanden. Hochgerechnet auf die gesetzliche Krankenversicherung würden die Zusatzausgaben für den Zeitraum 2010 bis 2014 in Deutschland bei 31,5 Millionen Euro liegen, rechnet Frank Verheyen, Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen der TK (WINEG), vor.
In Deutschland lag die Kaiserschnittrate 2014 bundesweit bei rund 31,8 Prozent (2000: 21,5 Prozent), in der Schweiz schnellte der Wert hinauf von 1998: 22,7 Prozent auf 2010: 32,6 Prozent. Österreich liegt mit 29,4 Prozent ebenfalls über dem EU-Durchschnitt von 26 Prozent Zum Vergleich: 1995 kamen hierzulande nur 13 Prozent aller Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt.
Eine Erhebung in der Schweiz (vgl. Bioethik aktuell, 21.3.2013) hatte gezeigt, dass neben dem höheren Alter der Frauen bei der Entbindung (Sectio-Rate der über 35-Jährigen: 42,5 Prozent) auch eine private Spitalzusatzversicherung die Wahrscheinlichkeit eines Kaiserschnitts erhöhte. In einem Privatspital war diese doppelt so hoch wie in einem öffentlichen Spital. Offenbar waren dabei weniger medizinische Erwägungen als der wirtschaftliche Anreiz ausschlaggebend.
Auch in anderen, reicheren Ländern Westeuropas, in Nordamerika und in Australien kommt etwa ein Drittel der Kinder per Operation zur Welt. Europaweit variierte der Anteil von 15 Prozent in Island und 52 Prozent in Zypern (vgl. BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology, 2016: 123(4): 559-568). Laut WHO-Empfehlungen würde allerdings eine Kaiserschnittrate von 10 bis 15 Prozent den Fällen mit zwingender medizinischer Indikation entsprechen. Die Nachteile eines unnötigen Kaiserschnitts beschränken sich nicht allein auf eine Narbe an der Haut. Die Narbe im Uterus kann bei späteren Schwangerschaften zu Komplikationen führen und in der Regel bei weiteren Geburten erneute Kaiserschnitte zur Folge haben, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 3.12.2015). Derzeit wird auch diskutiert, ob der fehlende Geburtsstress für das Kind die gesundheitlichen Startchancen der Kinder langfristig gefährdet. Da der Darm im ersten Lebensjahr die Entwicklung des Immunsystems beeinflusst, könnte ein Kaiserschnitt die Entwicklung von allergischen oder auch Autoimmun-Erkrankungen begünstigen. Eine Studie von Mairead Black von der Universität Aberdeen in Schottland, publiziert in JAMA (2015; 314: 2271-2279), zeigte, dass Kinder nach einem geplanten Kaiserschnitt im späteren Leben signifikant häufiger wegen Asthma im Krankenhaus behandelt werden als vaginal entbundene Kinder.
Eine 2012 im American Journal of Obstretrics and Gynecology publizierte Studie hatte errechnet, dass mit der Senkung einer Sectio-Rate auf 15 Prozent (WHO-Vorgabe) weltweit 2,32 Milliarden US-Dollar eingespart werden könnten.