Die Zahl der Demenzkranken nimmt weltweit zu, allerdings nicht in allen Regionen gleich stark. Bis zum Jahr 2050 schätzt der anlässlich des Welt-Alzheimer-Tags am 21. September publizierte World Alzheimer Report 2015, dass sich die Zahl von derzeit 46 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung auf weltweit 131,5 Millionen verdreifachen wird. Die meisten Neuerkrankungen - rund 70 Prozent - erwartet die Alzheimer's Disease International in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen: Asien (49 Prozent), Amerika (18 Prozent) und Afrika (8 Prozent). In Europa dagegen scheint sich mit 25 Prozent der Anteil an Neuerkrankungen zu stabilisieren, räumt der Report ein.
Der Bericht von Alzheimer's Disease International betrachtet Demenz als unvermeidbares Schicksal und rechnet die derzeitige Altersprävalenz mit der demographischen Entwicklung hoch. Laut Österreichischem Demenzbericht 2014 leben in Österreich rund 130.000 Menschen mit Demenzerkrankung, zwei Drittel davon Frauen. Da die Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung weiterhin steigt, geht man auch hierzulande davon aus, dass sich die Zahl der Demenzpatienten bis 2050 verdoppeln wird.
Die Szenarien einer dramatischen Demenz-Epidemie werden jedoch nach Einschätzung der Epidemiologin Carol Brayne vom Cambridge Institute of Public Health (CIPH) nicht eintreffen. Die aktuell in Lancet Neurology (2015; doi: 10.1016/S1474-4422(15)00092-7) publizierte Analyse von fünf große Kohortenstudien aus Schweden (2 Studien), den Niederlanden, Großbritannien und Spanien deuten sogar auf einen Rückgang in Europa hin. Hier kam es in den letzten Jahren trotz Überalterung der Bevölkerung zu einer stabilen oder reduzierten Prävalenz in bestimmten Altersstufen.
Die Epidemiologin führt die günstige Entwicklung auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen zurück, die viele Menschen vor der Entwicklung einer Demenz schützen kann. Die Demenz sei nämlich nicht, wie vielfach angenommen, ein unabwendbares Schicksal einer genetisch bedingten zunehmenden Ablagerung von Amyloiden im Gehirn. Eine wichtige Ursache seien Durchblutungsstörungen aufgrund einer Arteriosklerose der Hirngefäße. Sie können durch die Behandlung oder Vermeidung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohen Cholesterinwerten verhindert werden, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 23.8.2015).
Die britischen Epidemologen kritisieren hart die Panikmache hinsichtlich einer Demenz-Epidemie. Der sorglose Umgang mit Forschungsergebnissen scheine eher gut mit dem Trend nach Medikalisierung und Heilserwartung gegenüber der Medizin zusammenzupassen, so die Autoren (vgl. Pressemitteilung University of Cambridge, online, 21.8.2015).
Seit dem G8-Gipfel 2013 sei die Jagd nach einer „Heilung von Demenz oder krankheitsmodifizierenden Therapie bis 2025“ zum globalen Ziel erhoben worden - seit damals fließen zwar Forschungsgelder in diese Richtung, die bisher erzielten Fortschritte (seien) jedoch nicht vielversprechend“, kritisieren die Autoren. Lukrativ dürfte der Markt allerdings werden, wo es um Früherkennung und Prophylaxe bei jüngeren Menschen geht (Risikoverminderung). Diesen Ansatz hält Brayne jedoch für verkürzt: Heute wisse man, dass das soziale Umfeld einen wesentlichen Faktor für die Lebensweise und Gesundheit darstellt. Deshalb müssten Anstrengungen hinsichtlich Bildung und Überwindung sozialer Ungleichheit ebenso Teil einer effektiven Demenzprävention werden, fordern die Lancet-Autoren.