Im Juli 2008 hatte der Vorarlberger Emil als erster Ungeborener die Republik Österreich wegen Diskriminierung behinderter Menschen geklagt. Hintergrund ist ein OGH-Urteil, in dem ein behindertes Kind gewissermaßen als „Totalschaden“ für seine Eltern gewertet wurde (vgl. Imabe-Newsletter Juli 2008). Anfang August wurde der Bub mit Spina bifida geboren. Wie auch immer Emils Klage ausgehen wird: Kinder wie er werden in der Regel abgetrieben. Wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage (01. 08. 2008) der grünen Behindertensprecherin Theresia Haidlmayr ans Familienministerium hervorgeht, werden in Österreich immer weniger Kinder mit Behinderungen geboren. Damit bestätigt sich ein europaweiter Trend. So werden in Norwegen laut einer im Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (2008; 32(4): 493-500) erschienenen Studie 84 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben. Den Anteil der pränatal entdeckten Föten mit Down-Syndrom gibt die Studie mit 43 Prozent an. Für eine höhere „Detektionsrate“ sollte man demnach zusätzliche Maßnahmen ergreifen. In Österreich legte das Familienministerium in Ermangelung von Abtreibungsstatistiken und Motivforschung die Zahlen der tatsächlichen Geburten von Kindern mit Behinderung vor. Diese gehen klar zurück: Wurden 1989 noch 612 Kinder mit Missbildungen und 34 Kinder mit Down-Syndrom geboren, waren es im Jahr 2006 nur noch 269 Kinder mit Fehlbildungen und zehn Kinder mit Down-Syndrom. Damit ist innerhalb von nicht einmal zwei Jahrzehnten die Zahl der mit Missbildungen geborenen Kinder um 50 Prozent gesunken, bei Kindern mit Down-Syndrom gar um 70 Prozent. Haidlmayr zeigt sich kaum überrascht: „Es wird immer mehr versucht, die Gesellschaft behindertenfrei zu machen und das so früh wie möglich. Diese Entwicklung ist ein Wahnsinn“, wird Haidlmayr, selbst behindert, in den Salzburger Nachrichten zitiert (online, 05. 08. 2008). Die Basis für die Ungleichbehandlung ungeborener Behinderter sei im Abtreibungsparagrafen gelegt. Dort heiße es, dass die Abtreibung von Kindern bis unmittelbar vor dem Geburtstermin straffrei ist, wenn „die Gefahr besteht“, dass es „behindert sein könnte“ (Eugenische Indikation).
Bioethik aktuell
Pränataldiagnose: 50 Prozent weniger behinderte Kinder in Österreich geboren
Wird Europa zur behindertenfreien Zone?
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