Seit über drei Jahren versuchen Forscher, Einblick in die noch unpublizierten Daten des Pharmakonzerns Roche zu Tamiflu (Oseltamivir) zu erhalten. Im Kern geht es um die Frage, ob das Unternehmen womöglich das positive Bild von der Wirksamkeit des Medikaments, dem bestverkauften Grippemittel, geschönt hatte (vgl. November 2012, BMJ-Initiative: Pharmakonzerne sollen alle Daten offenlegen). Die Cochrane Collaboration, die unparteiisch Nutzen und Schaden medizinischer Therapien und Arzneimittel untersucht, und das British Medical Journal werfen Roche-Pharma vor, Daten zu seinem Grippemedikament zurückzuhalten und dadurch eine unabhängige Bewertung zu Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels zu erschweren. Roche war an insgesamt 74 klinischen Studien beteiligt. Offengelegt wurden die Daten bis heute nicht. Nun scheint der Schweizer Konzern doch einzuwilligen. Am 2. April hat Roche den Forschern in einem Email zugesichert, nicht nur die Daten zu den 74 firmen-gesponserten Studien zu veröffentlichen, sondern auch die klinischen Studienberichte (CSR) zur Verfügung zu stellen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online 5. 4. 2013). Die Veröffentlichung soll im Laufe der kommenden Monate passieren.
Um für die Vogelgrippe (2005) und die Schweinegrippe (2009) gewappnet zu sein, sollen Regierungen weltweit Tamiflu im Wert von acht Milliarden US-Dollar gehortet haben. Auf dem Höhepunkt der Pandemieangst wurde Tamiflu für Roche zum Verkaufsschlager. Behörden wie die WHO oder die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatten Empfehlungen zum Einsatz von Tamiflu ausgesprochen - ohne dass sie dabei auf die vollständigen Studiendaten zugreifen konnten. Seit 2002 hat Roche mit seinem Grippemittel einen Umsatz von rund zwölf Milliarden Dollar gemacht. In den Ländern wurde das Medikament zum Ladenhüter: „Denn die Angst hat sich zweimal als unbegründet erwiesen: An der Vogelgrippe sind weltweit 258 Menschen gestorben“, schreibt Rüdiger Meyer im Deutschen Ärzteblatt (2013; 110(4): A-132 / B-121 / C-121). Bereits 2009 hatte die Cochrane Collaboration Zweifel an der Wirksamkeit von Tamiflu geäußert. Sie begrüßt das Verhalten von Roche nun mit Zurückhaltung. Der Konzern habe bereits in der Vergangenheit die Veröffentlichung der Studien angekündigt, dann aber den Worten nicht immer Taten folgen lassen.