Die Obersten Richter der USA bestätigten die Entscheidung einer Jury im US-Bundesstaat Vermont, die den Pharmakonzern Wyeth zur Zahlung von fast sieben Millionen Dollar (5,6 Millionen Euro) Schadenersatz an eine Musikerin verurteilte. Der an Migräne leidenden Frau musste nach einer durch den behandelnden Arzt verschuldeten Fehlanwendung des Medikaments Phenergan® (Promethazin) ein Oberarm amputiert werden. Beim Versuch, das Antibrechmittel direkt in eine Armvene zu injizieren, gelangte der Wirkstoff in eine Arterie, worauf die Musikerin einen Wundbrand erlitt.
Wyeth hatte eine Haftung abgelehnt und unter anderem damit argumentiert, dass die Food and Drug Administration (FDA) das Präparat zugelassen habe. Diese Begründung wies das Gericht in Washington zurück: Die Behörde habe nicht die Kapazitäten, um 11.000 Medikamente auf dem US-Markt vollständig zu überwachen. Die Hersteller seien in der Pflicht, auf neue Risiken nach der Markteinführung zu reagieren. Wyeth, so die Richter, hätte sehr wohl bei der Zulassungsbehörde auf schärfere Warnhinweise dringen können; die FDA hätte sich dem sicher nicht widersetzt. Schließlich sei es wegen Fehlanwendungen des Arzneimittels schon zu mehreren Amputationen gekommen, berichtet die Deutsche Ärztezeitung (online, 06. 03. 2009). Die Arzneimittelindustrie fürchtet nun, dass es bei der FDA zu einer Antragsflut für immer drastischere Warnhinweise kommt, die vielleicht vor Schadensersatzansprüchen schützen, aber Ärzte und Patienten verunsichern könnten.
Über den konkreten Fall hinaus standen nicht zum ersten Mal die Rolle der FDA und ihre Reformbedürftigkeit zur Debatte. Berichte über eine erstaunlich industriefreundliche Haltung der FDA waren in den letzten Jahrzehnten nicht unüblich. Unter Beschuss geraten ist unter anderem die Praxis der sogenannten „revolving door“: Beamte der Zulassungsbehörden beginnen ihre Karrieren in einer Pharmafirma, wechseln dann zur FDA und bekommen einige Jahre später wiederum eine hohe Stellung in der Pharmaindustrie. Bei Marktrücknahme schädlicher Medikamente hat die FDA nicht selten spät reagiert. (Vgl. dazu Enrique H. Prat, Ethische Probleme der pharmazeutischen Industrie, Imago Hominis (2005); 12(1): 19-37)