Die Lebenserwartung in der EU steigt, und ältere Menschen werden Jahre länger selbstständig bleiben. Die Zeit der Pflegebedürftigkeit wird sich zunehmend auf die Phase der Hochaltrigkeit verschieben. Dies zeigt eine aktuell in The Lancet Public Health (2018; doi: 10.1016/S2468-2667(18)30118-X) erschienene Studie. Eine Gruppe von Epidemiologen der Universität von Newcastle hatte anhand der alternden englischen Bevölkerung untersucht, wie sich der Pflegebedarf in den kommenden 20 Jahren verändern wird.
Die Zahl der Menschen ab 65 Jahren, die selbstständig leben können und nicht auf Pflege angewiesen sind, wird demnach um mehr als 60 Prozent steigen. Vor allem unter den Männern, die zwischen 2015 und 2035 „junge Alte“ (65 bis 74 Jahre) sind, gebe es immer mehr, die ohne Hilfe auskommen. Die zukünftigen „sehr Alten“ (85 Jahre und älter) würden allerdings ähnlich pflegebedürftig sein wie frühere Kohorten - und weil viel mehr Menschen so alt würden, werde sich die absolute Anzahl fast verdoppeln. Gesundheits- und Sozialdienste sollten sich an die komplexen Pflegebedürfnisse einer immer älter werdenden Bevölkerung anpassen, so die Empfehlung der Wissenschaftler.
„Die Ergebnisse gelten grob auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz, wo es heute jeweils eine große Anzahl von 45- bis 55-Jährigen gibt - tatsächlich ein viel größerer relativer Anteil als im Vereinigten Königreich“, meinte Timothy Riffe, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Gesundheitszustand der Bevölkerung, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt (online, 3.9.2018). Die Risikofaktoren Übergewicht, Rauchen und übermäßiges Trinken in Schach zu halten werde in den kommenden Jahrzehnten einen großen Beitrag zur Verringerung der Belastungen des Alterns leisten. „Und dies ist jetzt sicherlich billiger, als in Zukunft die verschiedenen Krankheiten zu behandeln, die auftreten werden, wenn wir nicht in Prävention investieren“, so Riffe.
Ein präventiver Faktor gegen Mangelernährung im Alter ist offenbar eine gute Partnerschaft: Eine kürzlich im Journal of Geriatrics publizierte Studie (https://doi.org/10.1111/jgs.15553) zeigt, dass verheiratete und sogar verwitwete Männer und Frauen im Alter besser für sich sorgen und damit weniger an Mangelernährung leiden. Dagegen sind Unverheiratete sowie getrennt oder geschieden Lebende eher von Mangelernährung betroffen. Laut Studienleiterin Dorothee Volkert und ihrem Team vom Institut für Biomedizin des Alterns (IBA) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) kann Mangelernährung in jedem Alter auftreten. Besonders betroffen davon seien aber ältere Menschen ab 65 Jahren (vgl. Pressemitteilung, online, 27.8.2018).
Die Lebenserwartung ist innerhalb der EU seit dem Jahr 1990 um knapp acht Jahre gestiegen, von 74,2 im Jahr 1990 auf 82 Jahre im Jahr 2016. Aufgrund der Überalterung bzw. der zu niedrigen Geburtenraten in allen EU-Ländern wächst der Anteil der Einwohner über 65 Jahren. Während er im Jahr 1960 im Durchschnitt weniger als 10 Prozent der Bevölkerung betrug, dürfte er bis zum Jahr 2060 auf fast 30 Prozent steigen (vgl. Bioethik aktuell, 5.12.2016).